Zweckehe mit der Kunst
Text: Monika und Lukas Wogrolly / Living Culture; Fotos: Jörg Starke
Was bedeutet Kunst für Sie? Und wie sind Sie zur Kunst gekommen, ist das von Ihnen gleichsam „schon mit der Muttermilch mit aufgenommen“ worden?
Jörg Starke: Im Grunde bin ich zur Kunst gekommen, weil mein Vater eine Stiftung gründen wollte, und ich dann gesagt habe: Okay, Stiftung ist gut, aber ich möchte lieber eine Kunststiftung. Eine Kunststiftung deswegen, weil ich in dem Alter damals der „Bad Boy“ war, aber trotzdem gesellschaftlich etwas bewegen wollte. Außerdem hatte ich damals noch die naive Einstellung gehabt, dass Politiker unbedingt eine weiße Weste haben müssten. Da ich diese weiße Weste selber noch nicht so hatte, habe ich die Kunst gewählt, um damit schließlich an die Öffentlichkeit zu treten. Schließlich ist die Kunst frei von diesen ganzen Auflagen. Weil es in der Kunst eigentlich egal ist, was man tut.
Heißt das, dass die Freiheit und Toleranz und dieser Pluralismus, die der Kunst innewohnen, der „Magnetismus der Kunst“ für Sie bedeuteten? Waren Sie da nicht auch schwankend, oder war es von vornherein klar: Für mich kommt nur das in Frage?
Jörg Starke: Es war für mich total klar: Nur das kommt für mich in Frage, weil eben die Kunst so offen, so liberal ist, wenn man sie idealistisch betrachtet. Natürlich ist es nicht so, wie ich es erwartet hatte. Doch damals war das für mich so.
Manche sagen Kunst sei eigentlich unnötig. Beziehungsweise sei Kunst schon Luxusgut einer Gesellschaft. Was kann man dem entgegenhalten?
Jörg Starke: Nach meiner ersten Intuition, mich der Kunst zu widmen, habe ich gelernt, mit Kunst zu leben. Man kann es im Grunde mit einer Zwangsehe vergleichen. Zwangsehe deshalb, weil zwei Partner zusammenkommen, die eigentlich von anderen dazu bestimmt worden sind, von nun an zusammenzuleben. Erst während der Beziehung lernen sich die Partner zu lieben.
Zusammenzuwachsen beim näheren Kennenlernen…
Jörg Starke: Genau! Deswegen haben meines Erachtens nach die Ehen in früheren Zeiten viel besser gehalten als die heutigen. Die gegenwärtigen Ehen werden vordergründig nur aus Liebe geschlossen, und wenn die Verliebtheit vorbei ist, dann hat man nichts Gemeinsames mehr. Zweckehen hingegen sind eben aus einem materiellen oder einem anderen profanen Grund zustande gekommen, und erst in der Ehe hat der eine den anderen erst schätzen gelernt. Dadurch konnte sich letztendlich eine Liebe entwickeln und entfalten, die vielleicht sogar viel tiefer geht, als wenn man sich vorher im Vorfeld verliebt hätte. Genauso wie in einer Zweckehe erging es mir mit der Kunst.
Ein organisches Wachstum also. Die Frage bleibt: Ob Kunst überhaupt etwas ist, das unsere Gesellschaft unbedingt braucht?
Jörg Starke: Im Grunde ist ja das Bemerkenswerte und das Schöne, dass Kunst eigentlich nutzlos ist und dadurch im Grunde der Wert der Kunst selbst geschaffen wird. Sehr klar wird das heutzutage, wo ich diese ganzen NFTs, die jetzt zurzeit entstehen, sehe. NFTs haben ja überhaupt keinen „Value“, also sie haben überhaupt keinen Wert. Erst dadurch, dass sie von anderen begehrt werden, entwickeln sie einen Wert. Und erst dadurch, dass das einige glauben, dass dieser Wert auch in der Zukunft noch wachstumsfähig ist, kommt auch eine Steigerung für diese NFTs zustande. Ein NFT ist ja auch total nutzlos. Gerade auf diese Frage bezogen ist ein NFT eigentlich das beste Beispiel dafür, dass etwas total Nutzloses auf einmal einen unglaublichen Wert erreicht.
Wie sieht ein typischer Tag von Ihnen aus?
Jörg Starke: Seitdem ich meine Tochter habe, sind meine Tage leider erschreckend gleich.
Wirklich?
Jörg Starke: Ja, weil ich wusste im Grunde nie, was passieren wird, aber durch diesen regelmäßigen Ablauf, wie zum Beispiel mit Schule und nach-Hause-Kommen und Hausaufgaben-Machen, hat sich natürlich auch mein Leben total verändert. Ich habe mich eigentlich immer schon danach gesehnt, einen bestimmten Tagesrhythmus zu haben und den habe ich jetzt auch bekommen. Das heißt ich stehe verhältnismäßig früh auf, bearbeite dann meine ersten E‑Mails, treibe dann Sport, esse zu Mittag, sitze dann wieder am Computer, und nachmittags versuche ich irgendwie vielleicht dann nochmal irgendwo hinzufahren oder meiner Tochter bei den Hausaufgaben zu helfen. Nur das Wochenende ist eigentlich nicht durchstrukturiert und verhältnismäßig offen. Allerdings ist meine Tochter sehr häuslich und schickt mich und meine Frau dann meistens weg, damit wir was Schönes zusammen machen können.
Was ist der Sinn des Lebens?
Jörg Starke: Naja ich denke schon, dass es der Sinn des Lebens ist, sich fortzupflanzen. Das ist der ursprüngliche Sinn, den jede Pflanze, jedes Tier und auch die Menschen haben. Nicht umsonst war es immer so wichtig gewesen für Königshäuser oder Adelshäuser der Vergangenheit, einen Sohn zu haben, der dann wiederum die Gene weitergibt. Es war eigentlich schon ganz klar, dass der Sinn des Lebens darin besteht, seine Gene weiterzugeben und dadurch im übertragenen Sinne eigentlich unsterblich zu werden. Dynastien zu gründen ist auch für jeden Diktator das Beste, was ihm wiederfahren kann. Jeder Diktator versucht, eine Dynastie zu gründen. Jeder Oligarch ist bestrebt, eine Dynastie zu gründen. Jedes reiche Haus, auch die, die viel Vermögen angeschafft haben, versuchen das an ihre Kinder und Enkelkinder weiterzugeben, also wiederum eine Dynastie zu gründen. Der Rückschluss daraus ist, dass das Wichtigste im Leben ist, sich fortzupflanzen.
Und ihrer Tochter geben Sie Ihr Vermächtnis weiter? Also im Sinne von Förderungen der Kunst und der Kultur?
Jörg Starke: Ich versuche natürlich, dass das, was ich aufgebaut habe, an meine Tochter übergeht und dass sie das dann auch weiterführt. Das wäre toll, vor allen Dingen mit der Kunststiftung, weil diese Kunststiftung „auf unendlich“ angelegt ist. Es wäre optimal, wenn wir das auch in eine bestimmte Art von Dynastie übergehen lassen. Auf jeden Fall wird es die Stiftung immer weitergeben.
Was ist aktuell der Fokus Ihres Tuns?
Jörg Starke: Das Hauptprojekt, das ich vorhabe, ist ein Künstleraustausch zwischen New York, Miami und Berlin. Das ist auch der Hauptgrund, warum Miami, New York und Berlin gleich wichtig sind für mein Schaffen, um dadurch amerikanische Künstler in Deutschland zu fördern. Wo die deutschen Künstler gefördert werden, das ist noch nicht ganz klar. Die amerikanischen Künstler werden im Löwenpalais in meiner Stiftung gefördert.
Wo finden Sie Ihren Ausgleich zur Kunst? Mal so ganz weg von dieser sophisticated, intellektuellen und kunstsinnigen Welt. Ist das der Sport? Oder die Natur?
Jörg Starke: Auf jeden Fall. Ich bin jetzt nicht der große Naturmensch, obwohl ich es jetzt wahnsinnig toll finde, hier in der kälteren Jahreszeit durch den Berliner Wald Nordic-Walking zu machen, das Schönste, was es gibt. Ich schwimme sehr viel, mache Fitness und war ja in Bali sehr viel reiten. Ich möchte, wenn meine Tochter groß genug ist, dass sie dann allein leben kann. Ich freue mich dann darauf, mit meiner Frau dann in der Welt herum zu reisen und die Kulturstationen zu besuchen, die ich bis jetzt noch nicht besucht habe. Ägypten reizt mich zum Beispiel sehr stark.
Da waren Sie noch nie?
Jörg Starke: Nein, da war ich noch nie. Und das, obwohl ich ein großer Ägypten-Fan bin. In der ägyptischen Mythologie kenne ich mich sehr gut aus. Ich würde ebenso gern einige griechische Orte aufsuchen, weil mir die griechische Mythologie sehr am Herzen liegt und natürlich Italien, Rom, Venedig, Florenz. Auf jeden Fall machen wir einen kleinen Anfang schon in diesem Sommer.
Was ist in der nahen Zukunft geplant?
Jörg Starke: Ich werde Gastvorträge an Universitäten in Miami und New York halten — über Kulturmanagement. Es geht inhaltlich auch um Sponsoring. Wie kann ich Sponsoren finden und was muss ich Sponsoren bieten, dass sie einen fördern wollen.
Danke für das Gespräch.