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WUNDERWERK ERDE


Text: Moni­ka und Lukas Wogrol­ly / Living Cul­tu­re
Wie unser Pla­net funk­tio­niert — Aus­führ­li­che Rezen­si­on

Wer sind wir? Wohin gehen wir? Was ist der Ursprung unse­rer Welt? Und wozu leben wir?

Die­se hoch phi­lo­so­phi­schen Fra­gen, auf die es kei­ne ein­deu­ti­gen Ant­wor­ten gibt, sind seit der Anti­ke Gegen­stand unter­schied­li­cher Wis­sen­schaf­ten. Ob Reli­gi­ons­wis­sen­schaft oder Phi­lo­so­phie, unter­schied­li­che nicht-erfah­rungs­ba­sier­te Wis­sen­schafts­strö­mun­gen, also in ers­ter Linie Geis­tes­wis­sen­schaf­ten, lie­fer­ten im Lau­fe der Jahr­hun­der­te zahl­rei­che Erklä­rungs­an­sät­ze. Auch heu­te noch gehö­ren Phi­lo­so­phen zu den gro­ßen Den­kern unse­rer Zeit und ver­fas­sen lau­fend Best­sel­ler, wie Kon­rad Paul Liess­mann oder Peter Kam­pits. Ein ähn­lich gutes Stan­ding in der Öffent­lich­keit haben auch jene Wis­sen­schaft­ler, die an der Schnitt­stel­le zwi­schen Geis­tes- und Natur­wis­sen­schaf­ten beruf­lich tätig sind. Sie beschäf­ti­gen sich sowohl mit dem erfah­rungs­ba­sier­ten Ansatz der Natur­wis­sen­schaf­ten als auch dem nicht-erfah­rungs­ba­sier­ten Ansatz der Geis­tes­wis­sen­schaf­ten. Ihre Publi­ka­tio­nen sind gekenn­zeich­net von der Sym­bio­se oder Ver­schmel­zung bei­der gro­ßer Para­dig­men. Als Bei­spie­le hier­für gel­ten in Öster­reich der Medi­zi­ner und Theo­lo­ge Johan­nes Huber sowie der Gerichts­psych­ia­ter Rein­hard Hal­ler. Bei­de stam­men aus der erfah­rungs­ba­sier­ten Natur­wis­sen­schaft Medi­zin, beschäf­ti­gen sich jedoch inten­siv mit geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen The­men wie Reli­gi­ons­wis­sen­schaft und Medi­zin­ethik.
Der Deut­sche Chris­ti­an Klepp beschäf­tigt sich pri­mär mit der Fra­ge „Was ist der Ursprung unse­rer Welt?“: sein erfah­rungs­ba­sier­ter, natur­wis­sen­schaft­li­cher Ansatz hat mit Geis­tes­wis­sen­schaf­ten und mit Reli­gi­on nichts zu tun. Streng genom­men, auch mit Ethik, hat der Autor, salopp for­mu­liert, wenig am Hut. Auch wenn er in sei­nem neu­es­ten Best­stel­ler „Wun­der­werk Erde“ auch auf die Schöp­fungs­ge­schich­te Bezug nimmt und sie einer wis­sen­schaft­li­chen Betrach­tung unter­zieht: „Wenn man den Satz ‚Und es ward Licht‘ der bibli­schen Schöp­fungs­ge­schich­te einem Zeit­punkt in der Erd­ge­schich­te zuord­nen möch­te, dann war es die­se Zeit vor etwa 4400 Mil­lio­nen Jah­ren, in der die Atmo­sphä­re durch­sich­tig wur­de und in der nachts auch die ers­ten Ster­ne am Fir­ma­ment sicht­bar wur­den.“ Als pas­sio­nier­ten Natur­wis­sen­schaft­ler erlebt man ihn in sei­nem Werk. Und zwar als einen, der seit 30 Jah­ren in Wort und Bild die Geschich­te unse­rer Erde fest­hält. Stu­di­um der Meteo­ro­lo­gie und Geo­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Ham­burg, Pro­mo­ti­on im Fach­be­reich Geo­wis­sen­schaf­ten, Arbeit in der Kli­ma­for­schung, unzäh­li­ge For­schungs­rei­sen, zudem auch lei­den­schaft­li­cher Foto­graf — so lässt sich sein beruf­li­cher Wer­de­gang bezie­hungs­wei­se Hin­ter­grund in aller Kür­ze dar­le­gen. In „Wun­der­werk Erde“ gibt Klepp auf knapp 350 Sei­ten nicht nur erstaun­li­che Ant­wor­ten auf die basa­len Fra­gen der Mensch­heit, son­dern lie­fert vor allem auch einen kom­pak­ten und prä­zi­sen wis­sen­schaft­lich fun­dier­ten Abriss unse­rer Erd­ge­schich­te. Vor allem im letz­ten Teil des Buches, dem Epi­log mit dem Titel „Wes­halb wir die Erde lie­ben soll­ten“, und dem Beginn namens Auf­takt „Wie ich die Erde lie­ben lern­te“, wird Klepp auch höchst phi­lo­so­phisch und emo­tio­nal. Und bringt die sicher nur schwer empi­risch erfass­ba­re, also nur schwer mit einem Instru­ment mess­ba­re Lei­den­schaft zum Aus­druck, die ihn in sei­ner bis­he­ri­gen Lauf­bahn quer über den gan­zen Pla­ne­ten gebracht hat und ihn die Erd­ge­schich­te in fas­zi­nie­ren­de sowohl Wör­ter (als Autor) als auch Bil­der (als Foto­graf) fas­sen ließ.

Zwi­schen „Auf­takt“ und „Epi­log“ fin­det sich hin­ge­gen eine ein­drucks­vol­le Beschrei­bung der Zeit vom Urknall bis heu­te, unter­malt mit Abbil­dun­gen und Fotos. Man fühlt sich als Leser ob der hoch­wis­sen­schaft­li­chen Spra­che zunächst regel­recht wie ein biss­chen zurück­ver­setzt in die ers­te Begeg­nung mit den Natur­wis­sen­schaf­ten: in die eige­ne Schul­zeit mit den Biologie‑, Che­mie- oder Phy­sik­bü­chern. Und könn­te auch sagen: wer hier­in nicht mehr „firm“ ist, bekommt auf über 300 Sei­ten alles gebo­ten, was man wis­sen muss über unse­ren Pla­ne­ten. Eine Art „Crash­kurs“ in Sachen Erd­ent­ste­hung, sozu­sa­gen. Chris­ti­an Klepp bril­liert hier­bei mit Fach­wis­sen und einer Aus­drucks­wei­se, die ihres­glei­chen sucht. Unzäh­li­ge Fach­be­grif­fe gehö­ren da genau­so mit rein: wie bei­spiels­wei­se Anor­tho­sit, Zir­kon, Sub­duk­ti­on, Oro­ge­ne, Ser­pen­t­in­i­te, Ophio­lith, oder der Wil­son-Zyklus. Oder eben die Refe­renz auf den drei­di­men­sio­na­len inne­ren Auf­bau der Erde, der in der Erd­ge­schich­te eine gewich­ti­ge Rol­le spielt. Zur ein­drucks­vol­len Spra­che kom­men noch Abbil­dun­gen und Fotos hin­zu. Im letz­ten Abschnitt des Buches wird auf das wohl größ­te und auch drän­gends­te Pro­blem unse­rer Zeit Bezug genom­men: den Kli­ma­wan­del. Klepps Bot­schaft klar: Natür­lich gab es im Lau­fe der Erd­ge­schich­te immer mal wie­der Kli­ma­ex­tre­me und Eis­zei­ten. Kurz­um, der aktu­el­le Kli­ma­wan­del ist nichts gänz­lich Neu­es für den Pla­ne­ten. Hin­ge­gen neu im Erd­sys­tem ist der Mensch, der durch sei­nen unstill­ba­ren Hun­ger nach Ener­gie und Wohl­stand die fos­si­len Koh­len­stoff­la­ger­stät­ten Erd­öl, Erd­gas und Koh­le beschleu­nigt aus der Erde gräbt, ver­feu­ert und dadurch die Atmo­sphä­re mit Unmen­gen an Koh­len­di­oxid belas­tet, wodurch die Tem­pe­ra­tur auf der Erde unauf­halt­sam ansteigt. Das Pro­blem des mensch­ge­mach­ten Kli­ma­wan­dels ist sei­ne enor­me Geschwin­dig­keit, denn er pas­siert inner­halb von 170 Jah­ren seit der indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on. Wir glau­ben, dies sei ein lan­ger Zeit­raum, aber für die Erde und ihre Öko­sys­te­me pas­siert die­ser Wan­del abrupt und so genau­so schnell wie der Ein­schlag des Aste­ro­iden, der die Dino­sau­ri­er dahin­raff­te. Die Öko­sys­te­me der Erde kön­nen sich an die­se Belas­tung und Geschwin­dig­keit der Ver­än­de­rung nicht mehr anpas­sen und reagie­ren daher mit Aus­ster­ben. Was dort stirbt, ist nichts weni­ger als unse­re eige­ne Lebens­grund­la­ge. Auch das zuneh­men­de Extrem­wet­ter mit zuneh­men­den Über­schwem­mun­gen und Dür­ren erwähnt der Autor in die­sem Zusam­men­hang. Schlie­ßen soll aber auch hier sein wich­tigs­ter Gedan­ke bezie­hungs­wei­se Appell: „Der Pla­net braucht uns nicht und hat, wie wir gese­hen haben, bereits grö­ße­res Unheil als uns über­stan­den. Wir dage­gen sind hoch­gra­dig abhän­gig von unse­rer Erde. Sie ist unse­re Lebens­grund­la­ge und wir besit­zen kein Back-up von ihr. Es wür­de mich freu­en, wenn ich Sie begeis­tern konn­te, die­se Saat­kör­ner der Lie­be für unse­re Erde wei­ter zu ver­brei­ten. Rei­chen Sie sie vor allem an die­je­ni­gen wei­ter, die sie nicht haben wol­len. […] Lie­ben Sie Ihren Pla­ne­ten!“

 

 

Info:

Dr. Chris­ti­an Klepp

Wun­der­werk Erde, 2022. 352 Sei­ten, gebun­den

Zur Per­son:

Dr. Chris­ti­an Klepp pro­mo­vier­te nach dem Stu­di­um der Meteo­ro­lo­gie und Geo­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Ham­burg in Geo­wis­sen­schaf­ten. Er arbei­te­te unter ande­rem als Dozent und war 25 Jah­re aktiv in der inter­na­tio­na­len Kli­ma­for­schung tätig.  Inzwi­schen arbei­tet er selbst­stän­dig an der Wis­sens­ver­mitt­lung in die Öffent­lich­keit, ist Best­sel­ler-Autor und hält Vor­trä­ge über das Wun­der­werk Erde und den Kli­ma­wan­del.

www.christianklepp.com

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