Vervierfachung von Hass im Netz durch Corona
Text und Abbildungen/Grafiken: Antidiskriminierungsstelle Steiermark; Foto: Foto Fischer
Es sind Zahlen, die die derzeit aufgeladene Stimmung in Österreich dramatisch belegen: In ihrem aktuellen Online-Hassreport veröffentlichen die InitiatorInnen der App BanHate (www.banhate.com) nun die jüngsten Statistiken zu Hass im Netz in Österreich. Insgesamt gingen im vergangenen Jahr 3215 Meldungen über die BanHate-App ein und damit um 76 Prozent mehr als im Vergleich zum Jahr 2019. Eine alarmierende Zuspitzung der Situation zeigt sich vor allem im letzten Quartal des Vorjahres. Seit Beginn des sogenannten zweiten Lockdowns im November wurden bis zum Ende des Jahres 1694 Hasspostings gemeldet. Das entspricht fast einer Vervierfachung (3,7) des durchschnittlichen monatlichen Wertes aus dem Jahr 2019. Dabei stehen 82 Prozent der Meldungen im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie.
Für Daniela Grabovac, die BanHate 2017 als europaweit erste App zum Melden von Hasspostings initiiert hat, spiegeln diese Zahlen eine hasserfüllte Stimmung wider, die sich nicht nur im Internet entlädt. Die Extremismus- und Antidiskriminierungsexpertin erkennt eine zunehmende Gefahr von Radikalisierung, Gewalt und Demokratiefeindlichkeit: „Extremistische Gruppen nutzen die aktuelle Lage aus, um Angst zu schüren und die Gesellschaft zu spalten. Das Mobilisierungspotential steigert sich durch Social Media, manche Gruppen haben einen Zulauf von 100 bis 200 Menschen pro Tag.“ Grabovac warnt davor, die Ängste der Menschen herunterzuspielen. „Wir sehen in den Inhalten der gemeldeten Hasspostings, dass es hier sehr oft um Verunsicherung geht. Die Menschen suchen nach Erklärungen und werden bei Verschwörungserzählungen fündig. Die Sorgen und Ängste der Menschen müssen ernst genommen werden.“
Wie die Auswertungen der BanHate-App zeigt (Mehrfachnennungen möglich), richtet sich der Hass der Menschen zum größten Teil gegen „politische Anschauungen“ (29 Prozent aller Meldungen) bzw. direkt gegen PolitikerInnen (20 Prozent) oder hat nationalsozialistische Parolen bzw. Wiederbetätigung (21 Prozent) als Grundlage. So werden die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in den gemeldeten Hasspostings oft mit dem Nationalsozialismus oder mit diktatorischen Systemen verglichen. Fast jedes zehnte gemeldete Hassposting (9 Prozent) richtet sich gegen Juden (Antisemitismus).
30 Prozent der Hassmeldungen stützen sich auf Verschwörungserzählungen bzw. Fake News, 22 Prozent aller Meldungen haben Fremdenfeindlichkeit als Hintergrund. Grabovac: „Hass in Netz strafrechtlich zu verfolgen ist wichtig. Eine Entspannung und Verbesserung werden wir aber nur erzielen, wenn wir uns als Gesellschaft darüber hinaus auch der realen und ernstzunehmenden Ängste der Menschen annehmen. Hier geht es um Aufklärung und Prävention sowie vor allem auch darum, den Menschen wieder zuzuhören.“
Von allen 3215 Meldungen zu Hasspostings, die über die BanHate-App im vergangenen Jahr eingegangen sind, wurden 1750 Meldungen an die zuständigen Stellen in Österreich und Deutschland weitergeleitet bzw. zur Anzeige gebracht. Nicht verfolgt werden gemeldete Hasspostings aus unterschiedlichen Gründen – zum Beispiel weil sie strafrechtlich nicht relevant sind, vor der Bearbeitung durch die zuständige Stelle gelöscht werden oder weil sie etwa Privatanklagedelikte betreffen. Grabovac: „Die BanHate-App funktioniert wie ein Seismograph, wenn es um das Erkennen von hasserfüllter Stimmung in unserer Gesellschaft geht. Und dieser Seismograph schlägt derzeit so kräftig aus wie noch nie.“
Über BanHate
Durch die Einführung von BanHate, der europaweit ersten App zum Melden von Hasspostings, verfügt die Antidiskriminierungsstelle Steiermark mit Sitz in Graz über detailliertes Zahlenmaterial aus ganz Österreich zum Thema Hass im Netz. Initiatorin von BanHate ist Daniela Grabovac, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark sowie der Extremismuspräventionsstelle Steiermark „next – no to extremism“. Seit dem Start der App am 19. April 2017 gingen mehr als 8300 Meldungen zu Hasspostings ein. Der überwiegende Teil der gemeldeten Inhalte betrifft Österreich, der Rest andere deutschsprachige Länder. Knapp 90 Prozent der gemeldeten Postings wurden auf Facebook veröffentlicht. Registriert sind über die BanHate-App rund 1000 Nutzerinnen und Nutzer. Seit Mai 2020 verfügt die BanHate-App auch über eine Erweiterung zum Melden von sogenannten Hate Crimes. Programmiert wurde die App von der Grazer Kreativagentur Golddiggers. Finanziert wird die App vom Land Steiermark (Ressort Soziales und Integration) sowie von der Stadt Graz (Ressort Soziales, Bildung und Integration).
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