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Tri­est und Vene­dig — Lokal­au­gen­schein nach dem Lock­down


Text: Lukas Wogrol­ly / Living Cul­tu­re; Fotos: Living Cul­tu­re sowie Tea­t­ro Ver­di Tri­es­te, Visu­al Art-Fabio Paren­zan
Anfang August 2020, nur ein knap­pes hal­bes Jahr nach der schlimms­ten Zeit der Coro­na-Pan­de­mie, wag­te sich Living Cul­tu­re ins kri­sen­ge­beu­tel­te Nach­bar­land Ita­li­en.

Es war der wohl spek­ta­ku­lärs­te und emo­tio­nals­te Ita­li­en-Auf­ent­halt mei­nes Lebens. In jener Stadt, in der ich fünf Jah­re mei­nes Lebens ver­bracht hat­te, Tri­est. Und auch in jener ein­zig­ar­ti­gen Stadt, wo ich immer­hin drei Wochen lang einen ganz beson­de­ren Auf­ent­halt gehabt hat­te, Vene­dig. Noch vor weni­gen Mona­ten waren die Gren­zen dicht und war es über­haupt unklar, ob ein Ita­li­en-Auf­ent­halt je hät­te mög­lich sein kön­nen. Denn die Bil­der aus Ber­ga­mo und aus der gesam­ten Lom­bar­dei, die unheim­li­chen Schre­ckens­nach­rich­ten, die ins­be­son­de­re im Zeit­raum von Mit­te Febru­ar bis Mit­te April aus mei­ner zwei­ten Hei­mat Ita­li­en mich erreich­ten, hat­ten Spu­ren hin­ter­las­sen. Ita­li­en, das zwi­schen­zeit­lich füh­ren­de Land auf der Welt bei den Coro­na-Toten, war wie auch der Rest der Welt von der schwers­ten Kri­se seit 100 Jah­ren und auch der ers­ten Pan­de­mie seit der Spa­ni­schen Grip­pe vor gut 100 Jah­ren heim­ge­sucht wor­den. Nichts ist mehr, wie es war und die­se Kri­se, auch wenn wir sie mitt­ler­wei­le eini­ger­ma­ßen gut im Griff haben, ver­än­dert uns alle. Ein­rei­se­ver­bo­te, Aus­gangs­sper­ren und wie geht es wei­ter? Die­se The­men beschäf­tig­ten uns in den letz­ten Mona­ten und beschäf­ti­gen uns auch noch immer. Inso­fern kann man nahe­zu von einem Wun­der spre­chen, dass der­zeit eine Ein- und Aus­rei­se nach/von Ita­li­en über­haupt so pro­blem­los mög­lich ist. Frei­lich, die Kri­se hat ihre Spu­ren hin­ter­las­sen. Wesent­lich weni­ger Tou­ris­ten, vor allem nicht aus den USA und auch nicht aus Fern­ost, son­dern mehr­heit­lich aus Euro­pa, auch vie­le Ita­lie­ner. Und ganz stren­ge Sicher­heits­vor­schrif­ten. Begin­nen wir nun chro­no­lo­gisch mit den Details. Im Hotel Savoia Excel­si­or Palace, zur Star­ho­tels Grup­pe gehö­ren­den Hotel­ket­te, in Tri­est. Ganz vie­le Hin­weis­schil­der, wor­auf zu ach­ten ist. Abstand hal­ten, kei­ne Grup­pen­bil­dung, Mas­ken­tra­gen, dazu Des­in­fi­zie­ren der Hän­de. Vor der Rezep­ti­on steht ein Con­cier­ge und über­wacht die Ein­hal­tung der Maß­nah­men von Sei­ten der vor­bei­ge­hen­den Gäs­te. Vor der Rezep­ti­on kein Ple­xi­glas, son­dern eine Sicher­heits­ab­sper­rung, damit man ja nicht zu nahe kommt. Dahin­ter Mit­ar­bei­te­rIn­nen in Mas­ken. Mit dem Lift darf man nur ein­zeln fah­ren. Im Zim­mer selbst sieht man von der Pan­de­mie mitt­ler­wei­le fast nichts. Dafür umso deut­li­cher beim Abend­essen. Das Menü kann man als QR-Code am Han­dy scan­nen, man bekommt es auch auf Anfra­ge als Spei­se­kar­te in die Hand. Wäh­rend bei uns oft der Gesichts­schirm aus­reicht, tra­gen alle Kell­ne­rIn­nen in Ita­li­en aus­nahms­los Mas­ke. Und bis auf am Platz selbst – wie soll­te man sonst essen – ist die Mas­ke im Hotel und Restau­rant auch für den Gast Pflicht. Ein ähn­li­ches Bild bie­tet sich in den Loka­len bezie­hungs­wei­se davor, weil dank dem schö­nen Wet­ter wir im Frei­en Platz neh­men, wie auch der Groß­teil der ande­ren Gäs­te. Die Tische sind ein biss­chen wei­ter von­ein­an­der ent­fernt als sonst, Kell­ne­rIn­nen aus­nahms­los mit Mas­ke und im Gegen­satz zu uns nie mit Gesichts­vi­sier. Abge­se­hen davon merkt man vor den Loka­len eigent­lich nichts von Covid-19, die Gäs­te gefasst und der Gefahr immer bewusst, aber sie las­sen sich ihre Freu­de am Lokal­be­such nicht neh­men, so hat man den Ein­druck. Im Café auf der Piaz­za Ver­di vor dem gleich­na­mi­gen Tea­t­ro Ver­di lässt sich sogar Tri­ests Bür­ger­meis­ter Rober­to Dipiaz­za bli­cken. Er parkt sein Auto direkt auf dem Platz und bevor er sich dem letz­ten Pro­gramm­punkt von „Il Ver­di in Con­cer­to“, einer coro­na-ange­pass­ten som­mer­li­chen Kon­zert­rei­he im Tea­t­ro Ver­di, dem Opern­haus von Tri­est, in sei­ner Loge hin­gibt, gönnt er sich im Frei­en mit sei­ner Crew noch den einen oder ande­ren Som­mer­sprit­zer. Im Lokal selbst sieht die Sache ein biss­chen anders aus, auf der Toi­let­te merkt man Coro­na deut­lich. Zum einen, weil man die Toi­let­te nur ein­zeln betre­ten soll und Abstand hal­ten obers­tes Gebot ist, und zum ande­ren auch weil Des­in­fek­ti­ons­mit­tel bereit steht. Und zwar nicht nur beim Wasch­be­cken vor der Kabi­ne, um sich die Hän­de zu des­in­fi­zie­ren. Son­dern auch in der Kabi­ne mit dem Hin­weis, man möge auch die Klo­bril­le nach jedem Gebrauch des­in­fi­zie­ren. So viel dazu. Kom­men wir nun zum Gebäu­de neben dem Lokal, das Tea­t­ro Ver­di. Heu­te steht die ers­te von zwei Vor­stel­lun­gen des letz­ten Pro­gramm­punkts des Som­mer­fes­ti­vals „Il Ver­di in Con­cer­to“ auf dem Pro­gramm. Beim Abho­len mei­ner Pres­se­kar­te wer­den die Leu­te zum Abhol­schal­ter ins Inne­re des Gebäu­des nur ein­zeln vor­ge­las­sen. Beim Ein­gang zu den Plät­zen selbst sind wie beim Hotel Savoia aus­führ­lich gestal­te­te Hin­weis­schil­der zu den Coro­na­maß­nah­men. Mein Platz ist im Bereich vor der Büh­ne gleich beim Ein- und Aus­gang. Mich wun­dert es, dass ein Platz direkt dort wo alle vor­bei­ge­hen, über­haupt ver­ge­ben wird. In der Deut­schen Fuß­ball-Bun­des­li­ga heißt es ja bei den Vor­ga­ben bezie­hungs­wei­se Emp­feh­lun­gen hin­sicht­lich einer Teil­zu­las­sung von Zuschau­ern ab Sep­tem­ber, die Plät­ze unmit­tel­bar an den Auf­gän­gen sol­len frei blei­ben. Aber hier ist das viel­leicht nicht unbe­dingt not­wen­dig. Denn ins­ge­samt sind nur drei­ßig Per­so­nen in etwa zuge­las­sen. Natür­lich quer ver­teilt. Der Bür­ger­meis­ter in der Loge direkt über mir wird begrüßt von einer ande­ren Zuschaue­rin. Und, bevor wir zum Pro­gramm kom­men. Die Platz­zu­wei­se­rin­nen tra­gen nicht nur Mas­ke, son­dern auch zusätz­lich Gesichts­schild, also bei­des. Bei die­sem letz­ten Kon­zert der seit der Wie­der­eröff­nung am 21. Juni lau­fen­den Kon­zert­rei­he ist auf­grund der ab 1. August gül­ti­gen neu­en Nor­men die Mas­ke für alle Besu­che­rIn­nen sogar am eige­nen Platz Pflicht. Ich beob­ach­te eini­ge Male, wie die Zuwei­se­rin­nen ent­spre­chend ande­re Gäs­te auf die­se Mas­ken­pflicht auf­merk­sam machen. Das Kon­zert selbst ist selbst­ver­ständ­lich, wie bei uns auch, auf­grund der Coro­na­maß­nah­men, ohne Pau­se, und dau­ert ein­ein­halb Stun­den non­stop. Gespielt wird ein bun­tes Pro­gramm unter­schied­lichs­ter Kom­po­nis­ten. Von Richard Wag­ner über Edvard Grieg und Mau­rice Ravel bis hin zu Mode­st Mus­sorgs­kij, Alek­san­dr Boro­din und natür­lich Giu­sep­pe Ver­di. „Patria oppres­sa!“ aus „Mac­beth“ —  ein eben­so beein­dru­cken­der Chor wie der Gefan­ge­nen­chor aus Nabuc­co des­sel­ben Kom­po­nis­ten. Der Diri­gent Pao­lo Lon­go trägt Mas­ke bei jedem Betre­ten der Büh­ne bis kurz vor dem Anstim­men des Stü­ckes. Der Chor des Tea­t­ro Ver­di und auch die Blä­ser etwas wei­ter aus­ein­an­der als sonst. Trotz der Coro­na­maß­nah­men oder viel­leicht gera­de des­halb in die­sem emo­ti­ons­ge­la­de­nen Ambi­en­te, ein sehr auf­ge­reg­tes Kon­zert. Teil­wei­se fröh­lich, wie zu Beginn in Wag­ners „Die Meis­ter­sin­ger von Nürn­berg“, dann rea­lis­tisch-nor­disch mit trau­ri­gen und natu­ra­lis­ti­schen Ele­men­ten in Griegs „Peer Gynt“, dann wie­der musi­ka­lisch-ori­gi­nell bei Ravel und Mus­sorgs­kij, vol­ler Ärger in Ver­dis „Patria oppres­sa!“ aus „Mac­beth“ und zum Schluss noch ein­mal ori­gi­nal rus­sisch mit unter­schied­li­chen emo­tio­na­len Stim­mungs­la­gen bei Alek­san­dr Boro­din. Alles in allem ein Bei­spiel wie auch die mona­te­lang unter­sag­te Kunst und Kul­tur vor Publi­kum in Ita­li­en wie­der­erwa­chen kann und wie trotz strengs­ter Coro­na­auf­la­gen in einem von die­ser Kri­se so gebeu­tel­ten Land ein authen­ti­sches, stim­mungs­vol­les und emo­ti­ons­ge­la­de­nes Kon­zert in einem ganz beson­de­ren Ambi­en­te mög­lich ist. Mit Abstand und mit per­ma­nen­ter Mas­ken­pflicht wäh­rend des gesam­ten Kon­zerts, aber immer­hin. Gro­ße Gefüh­le garan­tiert, in ganz beson­de­ren Zei­ten. Ähn­lich gro­ße Gefüh­le erle­be ich auch am fol­gen­den Mor­gen beim Früh­stücks­buf­fet im Hotel Savoia. Gro­ße Tisch­ab­stän­de, Per­so­nal wie Gäs­te mit Mas­ken wie beim Abend­essen, nur eben am Platz nicht. Fast alle hal­ten sich dar­an. Der größ­te Unter­schied jedoch: Fri­sche Spei­sen, wie Schin­ken, Wurst, Käse, Brot, Ei – also prak­tisch alles Unver­pack­te – muss man sich statt es selbst­stän­dig am Buf­fet zu holen brin­gen las­sen. Dazu aber ist das Anstel­len not­wen­dig und es bil­det sich kon­ti­nu­ier­lich eine klei­ne Schlan­ge vor der einen Frau die hin­ter einer Absper­rung die Tel­ler und Schüs­seln befüllt. Aber man gewöhnt sich dran, es ist nur etwas läs­tig wenn gera­de dann wenn man sel­ber dran ist, das Gewünsch­te nicht mehr ver­füg­bar ist und man sich spä­ter ein zwei­tes Mal dar­um anstel­len muss. Anders geht es aber nicht in die­sen so beson­de­ren Zei­ten. Ganz ähn­lich ist das mit dem Früh­stücks­buf­fet im Hotel Bau­er in Vene­dig. Hier gibt es sogar wesent­lich weni­ger Spei­sen zum Sel­ber­neh­men, dafür aber gibt es im Unter­schied zum Savoia in Tri­est auch Plät­ze im Frei­en und die Mas­ken­pflicht wird nicht so genau gehand­habt, vor allem nicht in den weit­läu­fi­gen Räum­lich­kei­ten der Hotel­hal­le. Das wohl auch, da es hier im Unter­schied zum Savoia eine Ple­xi­glas­wand vor der Rezep­ti­on gibt. Zurück zu Tri­est: All­ge­mein hat man hier den Ein­druck, die Nor­men sind wesent­lich stren­ger als bei uns und wer­den auch genau­er ein­ge­hal­ten. Aber das lässt die Anwe­sen­den bezie­hungs­wei­se Ein­hei­mi­schen nicht davon abbrin­gen, das Leben zu genie­ßen und mit Freu­de ihre Ape­ri­ti­vi zu trin­ken. Bei der Zug­fahrt von Tri­est nach Vene­dig mer­ken wir auch Unter­schie­de. Die Boden­mar­kie­run­gen über­all, damit über­all dort, wo sich Schlan­gen bil­den kön­nen, aus­rei­chend Abstand ein­ge­hal­ten wird. Beim Ticket­kauf selbst für einen Regio­nal­zug gilt das Ticket nur für den bestimm­ten Zug mit Abfahrt am Tag X zur Uhr­zeit Y, auch wenn kei­ne Platz­re­ser­vie­rung dabei ist. Das wohl in ers­ter Linie, um über­füll­te Züge zu ver­mei­den, indem nur eine gewis­se Anzahl an Tickets für eine bestimm­te Ver­bin­dung, und selbst wenn es nur ein Regio­nal­zug ist, aus­ge­ge­ben wird. Dazu noch die Unter­tei­lung, wie sonst nur bei öffent­li­chen Nah­ver­kehrs­mit­teln in Ita­li­en üblich, auch bei Fern­ver­kehrs­zü­gen, in Aus- und Ein­stie­ge und nie bei­des auf ein­mal. Auf dem Boden in den Zügen die Ein­bahn­bo­den­mar­kie­run­gen. Daher auch anfangs mei­ne Sor­ge, es gäbe kei­ne offe­ne Toi­let­te auf einer zwei­stün­di­gen Ver­bin­dung Tri­est-Vene­dig im Regio­nal­zug. Denn wenn man im Zug auf die Toi­let­te muss, müss­te man ja die Ein­bahn­re­ge­lung miss­ach­ten. Und im Flix­Bus bleibt die Bord­toi­let­te in Coro­na­zei­ten ohne­hin geschlos­sen um Begeg­nun­gen zu ver­mei­den, dafür wird öfter Pau­se gemacht. Und in Ita­li­en gibt es ja sogar Inter­ci­ty­zü­ge die zehn Stun­den und mehr non­stop unter­wegs sind, und kei­ne Spei­se­wä­gen bzw. über­haupt kei­ne Ver­pfle­gung an Bord haben. Im Zug sind zusätz­li­che Klo­pau­sen kein The­ma und so ver­si­chert mir ein Bahn­be­diens­te­ter, es gäbe genü­gend offe­ne Toi­let­ten auch im Regio­nal­zug. So ist es dann letzt­end­lich auch. Und das Wich­tigs­te, die Mas­ken­pflicht im Zug, wird ohne­hin von fast allen ein­ge­hal­ten. Die Boden­mar­kie­run­gen bezie­hungs­wei­se die Ein­bahn­re­ge­lung im Zuge der Unter­tei­lung in Ein- und Aus­stieg sind da nicht ganz so obli­ga­to­risch bezie­hungs­wei­se wer­den nicht ganz so genau ein­ge­hal­ten. Im Grun­de genom­men ist die Zug­fahrt ähn­lich ent­spannt wie bei uns, das Mas­ken­tra­gen natür­lich manch­mal etwas anstren­gend, aber auch letzt­end­lich rei­ne Gewöh­nungs­sa­che. Nur wenn man sich eben vor Augen führt, was die­ses Land in den letz­ten Mona­ten mit­ge­macht hat und wie gebeu­telt es von der Kri­se war, dann wird man schon nach­denk­lich. Und kann auf der ande­ren Sei­te sagen: „Hut ab, wie die das hin­ge­kriegt haben.“ In Vene­dig wie in Tri­est könn­te man glau­ben: Alles nor­mal, wenn man nicht weiß, was da OHNE Coro­na so abgeht. Wesent­lich weni­ger Tou­ris­ten in Vene­dig, aber den­noch die Stra­ßen und Gas­sen kei­nes­wegs leer. Die meis­ten Läden haben offen, in ers­ter Linie euro­päi­sche Tou­ris­ten aus Öster­reich, Deutsch­land, Ita­li­en. Nicht so ein Gewu­sel wie sonst an einem Som­mer­sams­tag, wie zum Bei­spiel im Juli 2019, als ich zuletzt hier war. Der Mar­kus­platz fast ganz leer, nur ver­ein­zelt Auf­se­her, und auch vor dem Café Flo­ri­an nur ganz wenig beleg­te Plät­ze. Die Kri­se bezie­hungs­wei­se die Tat­sa­che, dass eben Vene­dig ganz stark vom Tou­ris­mus abhän­gig ist, hat die Lagu­nen­stadt nun schwer getrof­fen. Im Hotel Bau­er ist die Buchungs­la­ge wie auch schon im Hotel Savoia nicht so schlecht, und wie­der­um sind wir nicht die ein­zi­gen deutsch­spra­chi­gen Gäs­te, bei wei­tem nicht. Im Zim­mer wie gewohnt auch hier kei­ne Spur von Coro­na. Aber in den Geschäf­ten der Lagu­nen­stadt stren­ge Vor­schrif­ten mit Per­so­nen­be­schrän­kung und Mas­ken. In den Gas­sen eini­ges los, aber kein Geschie­be, kein Over­tou­rism. Vom Ein­tritt für den Mar­kus­platz sind wir weit ent­fernt. Letz­ter und viel­leicht wich­tigs­ter Pro­gramm­punkt. Die Harry’s Bar. Geschlos­sen in der Cal­le Vall­aresso unweit des Mar­kus­plat­zes seit dem Lock­down Mit­te März. Doch wer glaubt, das war’s, der irrt. Auch in Zei­ten wie die­sen gibt es prak­tisch eine zwei­te Harry’s Bar in Vene­dig, die im Gegen­satz zum Stamm­haus auch in Zei­ten wie die­sen sehr wohl geöff­net hat und Treff­punkt betuch­ter Insi­der aus dem In- und Aus­land ist. Sie befin­det sich auch sogar in der Lagu­nen­stadt selbst, und nicht etwa in Dubai oder New York, wo es auch Filia­len der Cipria­ni-Grup­pe gibt, aber eben etwas abseits. Auf der tou­ris­tisch nicht ganz so bekann­ten Insel Giudec­ca gegen­über von den Haupt­in­seln die durch den Canal Gran­de getrennt wer­den von­ein­an­der und von der die eine wie­der­um durch den Cana­le del­la Giudec­ca von der Insel Giudec­ca getrennt ist. Die klei­ne Insel San Gior­gio Mag­gio­re mit der Kir­che und dem Cam­pa­ni­le der dem des Mar­kus­doms ähn­lich sieht, direkt neben La Giudec­ca. Zwei Sta­tio­nen mit dem Vapo­ret­to wei­ter, die cha­rak­te­ris­ti­sche Reden­to­re-Kir­che auf der Giudec­ca. Und dann, bei der Sta­ti­on Palan­ca, das pure Leben. Dis­co­mu­sik, offe­ne Loka­le, Men­schen die es sich auf der auto- und rad­frei­en Insel gut­ge­hen las­sen. Ein­hei­mi­sche, die sich auch nicht von Coro­na abschre­cken las­sen. In die­ses Ambi­en­te, wenn auch etwas weni­ger rus­ti­kal und etwas nobler als die ande­ren Loka­le, passt die zwei­te Harry’s Bar von Vene­dig. Sie heißt, genau genom­men, Harry’s Dol­ci, weil dort die Zucker­bä­cke­rei bezie­hungs­wei­se Süß­wa­ren­fa­brik der Betrei­ber­fir­ma Cipria­ni ange­sie­delt ist. Wo bei Öff­nung des Hau­ses in der Cal­le Vall­aresso beim Mar­kus­platz auch für dort die süßen Köst­lich­kei­ten wie Mering­a­ta alla Cre­ma oder Tor­ta al cioc­co­la­to her­ge­stellt und dann recht­zei­tig per Boot rüber­ge­bracht wer­den. Im Moment aber ist nur das Lokal neben der Zucker­bä­cke­rei geöff­net, Harry’s Dol­ci eben. Das Per­so­nal kom­plett gleich ange­zo­gen wie drü­ben und auch die Spei­sen­aus­wahl die­sel­be. Man sitzt hier eben direkt am Was­ser, am Meer und schaut auf die Haupt­in­seln jen­seits des Cana­le del­la Giudec­ca rüber. Wir tref­fen den Padro­ne Arri­go Cipria­ni mit sei­nen 88 Jah­ren zum Mit­tag­essen. Er phi­lo­so­phiert über die Rol­le der Poli­tik wäh­rend des Lock­downs, über Poli­tik all­ge­mein, und auch über den Lock­down all­ge­mein. Und natür­lich auch über das Geheim­nis sei­ner ewi­gen Jugend. Nicht zuletzt auch über sei­ne selbst geschrie­be­nen Bücher. Die Spei­sen sind herr­lich boden­stän­dig und viel­fäl­tig wie in Harry’s Bar, das Ambi­en­te ähn­lich. Da den Hau­de­gen Arri­go Cipria­ni auch kei­ne Coro­na­kri­se aus der Fas­sung bringt, ant­wor­tet er auf mei­ne Begrü­ßung mit dem Ell­bo­gen, indem er mir einen Stoß in den Unter­bauch gibt, kara­te­mä­ßig eben. Aber alles in allem eine per­fek­te Mischung aus schö­nem Ambi­en­te und Authen­ti­zi­tät der Spei­sen. Wie drü­ben in der Cal­le Vall­aresso. Das Per­so­nal trägt auch hier strikt Mas­ke. Und auch hier ent­spre­chen­de Hin­wei­se bezie­hungs­wei­se Auf­la­gen beim Betre­ten der Toi­let­te. Zum Schluss gibt uns Arri­go Cipria­ni auch noch einen Trip über den Cana­le del­la Giudec­ca nicht mit dem Vapo­ret­to, son­dern mit sei­nem Pri­vat­boot. In Coro­na­zei­ten sicher eine genia­le Idee, auch wenn man sich auch in den Vapo­ret­ti eigent­lich recht sicher fühlt. Wir ver­las­sen Ita­li­en bezie­hungs­wei­se die nord­ost­ita­lie­ni­schen Regi­ons­haupt­städ­te Tri­est und Vene­dig mit dem Ein­druck: Die Kri­se ist spür­bar, aber sie nimmt nie­man­dem die Lebens­freu­de hier. Das Leben geht wei­ter, wenn auch mit weni­ger Tou­ris­ten und mit stren­gen Coro­na-Auf­la­gen, aber Sen­de­pau­se gibt es kei­ne: weder für die gute Stim­mung bezie­hungs­wei­se Lebens­ein­stel­lung noch für den Betrieb bezie­hungs­wei­se das Leben all­ge­mein. The show must go on, life must go on. Und wenn ich an Vene­dig zurück­den­ke, wie oft ich von der Ter­ras­se des Hotel Bau­er am Canal Gran­de hin­über­ge­schaut habe auf die impo­san­te wei­ße Kir­che San­ta Maria del­la Salu­te mit ihrer rie­si­gen Kup­pel: Die­se Kir­che wur­de zu Ehren der Mut­ter Got­tes erbaut, da sie eine Pest­epi­de­mie been­det hat. Was wer­den wir all jenen Men­schen an Monu­men­ten bau­en, die in der jet­zi­gen Pan­de­mie tag­täg­lich für uns da sind und schau­en, dass wir die­se Situa­ti­on best­mög­lich meis­tern. Da wäre schon was ange­bracht. Mit die­sem Gedan­ken been­de ich nun die­sen Text über einen ganz beson­de­ren, emo­ti­ons­ge­la­de­nen und ein­zig­ar­ti­gen Ita­li­en­auf­ent­halt, einen soge­nann­ten Lokal­au­gen­schein. Auf dass es in der Zukunft gut bezie­hungs­wei­se bes­ser wer­de. Alles Gute!

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