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Trä­nen der Freu­de in Eisen­stadt


Text, Fotos und Vide­os: Lukas Wogrol­ly / Living Cul­tu­re
Bekommt das Bur­gen­land bald eine neue Maria Vas­sila­kou?

Wir schrei­ben den 15. Okto­ber 2017. Hoff­nun­gen wer­den zer­stört, Trä­nen flie­ßen. Im Wie­ner Metro­pol Thea­ter wer­de ich gleich­sam Zeu­ge eines Trau­er­spiels. 3,8% — die­se Zahl neben dem grü­nen Bal­ken, auf der gro­ßen Lein­wand mit den vie­len bun­ten Bal­ken soll­te letzt­end­lich vie­les zer­stö­ren, was auf­ge­baut wor­den war. Soll­te Men­schen zum AMS schi­cken.

Was war pas­siert? Bei der vor­ge­zo­ge­nen Natio­nal­rats­wahl ver­feh­len die Grü­nen um 0,2% oder in etwa 10 000 Stim­men erst­mals seit dem Ein­zug in den Natio­nal­rat 1986 die not­wen­di­ge 4%-Hürde. Trotz der schlech­ten Umfra­ge­wer­te hat­te nie­mand mit die­sem „worst case“-Szenario gerech­net.

Mitt­ler­wei­le haben wir das Jahr 2025, über 7 Jah­re sind seit­her ver­gan­gen.
Die Grü­nen sind, auch dank des Ibi­za-Skan­dals, seit gut 5 Jah­ren längst wie­der Teil des Natio­nal­rats. Und hat­ten in der ver­gan­ge­nen Legis­la­tur­pe­ri­ode sogar eine Regie­rungs­mehr­heit mit der ÖVP, dank derer sie die Repu­blik durch bei­spiel­lo­se Kri­sen wie Coro­na-Pan­de­mie und Ukrai­ne-Krieg sowie Hoch­was­ser­ka­ta­stro­phe manö­vriert hat­ten. Fai­rer­wei­se muss man mit dem heu­ti­gen Wis­sens­stand sagen, jedoch nicht ohne dabei einen rie­si­gen Schul­den­berg anzu­häu­fen. Der in der fol­gen­den Legis­la­tur­pe­ri­ode von der gera­de in Bil­dung befind­li­chen Nach­fol­ge­re­gie­rung abge­baut wer­den muss.

Doch noch­mals zurück zum 15. Okto­ber 2017: Die Bil­der der „Trau­er­fei­er statt Wahl­par­ty“ sind mir noch gut in Erin­ne­rung, als ich mich am 17. Jän­ner 2025 früh­mor­gens von Wien nach Eisen­stadt auf­ma­che. Zwei Tage spä­ter wählt das Bur­gen­land einen neu­en Land­tag. Und wie schon 2017 geht es auch jetzt „arsch­knapp“ zu, wie sie selbst mei­nen, denn die Umfra­ge­wer­te pro­gnos­ti­zie­ren der Grün­par­tei einen Wert um die 4%-Hürde. Nach Ver­lus­ten bei vier von vier Wah­len im Vor­jahr, je zwei auf Bun­des- und Lan­des­ebe­ne, sind mir die Bil­der und Gefüh­le, die Erin­ne­rung an den Abend des 15. Okto­ber 2017, als ich Men­schen wei­nen sah, näher denn je. Die Stim­mung ist soli­de beim Wahl­kampf­abtakt in der Eisen­städ­ter Fuß­gän­ger­zo­ne am Vor­mit­tag des 17. Jän­ner. Bun­des­spre­cher Wer­ner Kog­ler, ange­reist aus Wien, appel­liert an Ein­heit und Boden­stän­dig­keit. Auf Umfra­ge­wer­te nimmt er Bezug eben­so wie die dar­auf­fol­gen­de Red­ne­rin, Spit­zen­kan­di­da­tin Anja Hai­der-Wall­ner, im Übri­gen  die ein­zi­ge Frau neben sonst nur Män­nern als Spit­zen­kan­di­da­ten.

Sze­nen­wech­sel in die Roof­top Bar im 4. Stock des Hotels Galán­tha in Eisen­stadt: Ein Team rund um FPÖ-Spit­zen­kan­di­dat Nor­bert Hofer deckt in einer Pres­se­kon­fe­renz angeb­lich kur­sie­ren­de Gerüch­te der kan­di­die­ren­den SPÖ Bur­gen­land rund um die blau-schwar­zen Regie­rungs­ver­hand­lun­gen auf Bun­des­ebe­ne auf. Anwe­send ist auch die Salz­bur­ger Lan­des­haupt­mann-Stell­ver­tre­te­rin Mar­le­ne Sva­zek von der FPÖ. Und vor dem Land­haus posie­ren zeit­gleich in Gelb geklei­de­te Per­so­nen, die mit mar­ki­gen Sprü­chen wie „Nase voll von Flö­ten­zwang? oder eben „Wähl dich frei. Volks­par­tei“ auf Schil­dern auf­fal­len. So mar­kig die Sprü­che, so ein­falls­los die Reden die nur vom Ende der roten Domi­nanz spre­chen, und gehal­ten wer­den  vom unauf­ge­regt wir­ken­den Spit­zen­kan­di­da­ten Chris­ti­an Sagartz und dem Lan­des­ge­schäfts­füh­rer Patrik Faze­kas. Für mich geht es noch ein­mal zur wegen die­ses Ter­mins vor­zei­tig ver­las­se­nen Pres­se­kon­fe­renz der FPÖ Bur­gen­land zurück hin­auf in den 4. Stock des Hotels Galán­tha, zu Nor­bert Hofer und Mar­le­ne Sva­zek. Danach muss ich mir Ersatz für zwei ver­lo­ren gegan­ge­ne Schals besor­gen.

Und dann  ist es schon Mit­tag. Mit­glie­der der Grü­nen bau­en ihren Stand in der Fuß­gän­ger­zo­ne ab. Wolf­gang Spitz­mül­ler, Lis­ten­zwei­ter, bit­tet mich, einen Auf­stel­ler zum Dom­platz hin­über zu trans­por­tie­ren. Dort, vor dem Mar­tins­dom, nimmt die Grü­ne Jugend Auf­stel­lung zu „Pop­corn & Poli­tics“, mit der sie in einer etwas frag­wür­dig wir­ken­den Akti­on noch nicht wahl­be­rech­tig­te Schüler:innen moti­vie­ren wol­len. Die Atmo­sphä­re ist gelöst, ich unter­hal­te mich mit der Mat­ters­bur­ger Bezirks­spre­che­rin Han­na Walk von den Grü­nen Mat­ters­burg aus Bad Sau­er­brunn.  Und besor­ge mir mit ihr mexi­ka­ni­sches Essen zum Mit­neh­men. Sama­ra Sán­chez Pöll, Spre­che­rin der Grü­nen Jugend Bur­gen­land bat mich zuvor einen Ste­cker auf einem ver­las­se­nen Haus­ein­gang anzu­ste­cken, um zu che­cken, ob es dort den für die Pop­corn­ma­schi­ne benö­tig­ten Strom gäbe. Kein Strom. Das Pro­blem löst sich; eine Strom­quel­le für den Betrieb der Pop­corn­ma­schi­ne wird gefun­den. Nach dem Ver­zehr des mexi­ka­ni­schen Essens beob­ach­te ich noch die zuhauf am Stand erschie­ne­nen Schüler:innen, an die eif­rig Pop­corn ver­teilt wird.

Um 14:30 Uhr ist Schluss. Und zwar mit allen Wahl­ver­an­stal­tun­gen und das mehr als 48 Stun­den vor der 1. Hoch­rech­nung am Sonn­tag, 19. Jän­ner um 16 Uhr. Ich mache Besor­gun­gen, che­cke ein paar Sachen und gehe ins Kaf­fee­haus. Im Hotel­zim­mer ange­kom­men, über­ar­bei­te ich mei­nen Ter­min­ka­len­der auf­grund der an die­sem Tag ein­ge­tru­del­ten Nach­richt, dass die Wien-Wahl vom ursprüng­li­chen Ter­min Mit­te Okto­ber auf den 27. April vor­ver­legt wur­de. Abends esse ich im Hotel noch ita­lie­nisch zu Abend wie zu Hau­se in Graz bei Don Camil­lo.

Am Tag danach muss ich das Hotel am Vor­mit­tag vor­zei­tig ver­las­sen, kom­me jedoch rasch woan­ders unter. Und zwar in genau jenem Hotel, in dem ich am Tag zuvor der FPÖ-Pres­se­kon­fe­renz bei­gewohnt hat­te. Am Sams­tag prü­fe ich, ob wie vor fünf Jah­ren im Ein­kaufs­zen­trum Eisen­stadt am Tag vor der Wahl noch Wahl­kampf betrie­ben wür­de. Fehl­an­zei­ge. Ein biss­chen Sight­see­ing, ein biss­chen Loka­le, ein Fri­seur­ter­min, und in der Däm­me­rung der Schloss­park Ester­ha­zy. Zum Abschluss die Roof­top Bar im 4. Stock des Hotels Galán­tha. Dies­mal mit Musik aus den Laut­spre­chern, ein paar Drinks und einem abend­li­chen Traum­blick auf das in bun­ten Far­ben erleuch­te­te Schloss Ester­ha­zy von der Dach­ter­ras­se. Aus­ge­las­se­ne Stim­mung.

Der Wahl­sonn­tag: Trü­be Nebel­sup­pe über der Lan­des­haupt­stadt den gan­zen Tag. Um 13 Uhr betre­te ich als Pres­se­ver­tre­ter mit Akkre­di­tie­rung das Land­haus und unter­hal­te mich im Pres­se­raum mit einem bay­ri­schen Jour­na­lis­ten län­ger, der spä­ter am sel­ben Ort ein Schläf­chen hält. Frank­fur­ter mit Senf und Ket­chup, Sem­mel, Mehl­spei­sen, Kaf­fee mit Milch, natur­trü­ber Apfel­saft, Lei­tungs­was­ser. So die Ver­pfle­gung für die Pres­se im 2. Stock.

Um 15:30 Uhr wird‘s ernst. Die Bil­der und Gefüh­le vom 15. Okto­ber 2017 sind stär­ker denn je. Um kurz nach 16 Uhr dann die 1. Hoch­rech­nung. Ein Mini-Raum gesteckt voll mit Kame­ras und Journalist:innen, allen vor­an Rapha­e­la Pint von „Bur­gen­land heu­te“. Den Groß­teil der sich eng zusam­men­drän­gen­den Per­so­nen machen Grü­ne Par­tei­mit­glie­der aus, auch wenn Spit­zen­kan­di­da­tin Anja Hai­der-Wall­ner zu die­sem Zeit­punkt fehlt.

Die 1. Hoch­rech­nung steht an. In Erin­ne­rung auch an die Hal­bie­rung bei der Stei­ri­schen Land­tags­wahl am 24. Novem­ber 2024 und die damit ver­bun­de­ne Kater­stim­mung der anwe­sen­den Per­so­nen, bin ich nun bereit, bei einer Art im über­tra­ge­nen Sin­ne „Hin­rich­tung“ der 1. Hoch­rech­nung zu fil­men.

Es sind Trä­nen jedoch der Freu­de, denn mit 5,66% ver­blei­ben Die Grü­nen, ent­ge­gen aller Pro­gno­sen, fix mit den bei­den bestehen­den Man­da­ten im Land­tag. Die Erleich­te­rung ist groß. Da bin ich in Fern­seh­einspie­lun­gen zu sehen, wie ich Foto- und Video-Auf­nah­men mit dem Han­dy von der um 180° gedreh­ten Per­spek­ti­ve im Ver­gleich zur Kame­ra mache. Dann gra­tu­lie­re ich der Spit­zen­kan­di­da­tin Anja Hai­der-Wall­ner. Eine rot-grü­ne Koali­ti­on ist mög­lich. Es wäre die 1. Grü­ne Lan­des­haupt­mann­stell­ver­tre­te­rin seit gut ein­ein­halb Jah­ren, seit­dem im Juni 2023 in Salz­burg die Grü­ne Lan­des­spre­che­rin Mar­ti­na Bert­hold von der bereits zuvor erwähn­ten FPÖ-Poli­ti­ke­rin Mar­le­ne Sva­zek abge­löst wur­de. Es kann zur ers­ten Rot-Grü­nen Lan­des­re­gie­rung kom­men seit Wien bis Okto­ber 2020. Damals ja zuletzt von 2019 bis 2020 mit Bir­git Hebe­in bei den Grü­nen, davor von 2010 bis 2019 mit Maria Vas­sila­kou. Anja Hai­der-Wall­ner bald auf den Spu­ren von Maria Vas­sila­kou? Auf der Wahl­par­ty soll­te ich sie dar­auf anspre­chen und sagen, dass Maria Vas­sila­kou ein Bei­spiel dafür sei, wie die Grü­nen auch trotz deut­li­cher nume­ri­scher Unter­le­gen­heit inner­halb der rot-grü­nen Regie­rungs­ko­ali­ti­on, mit nur 1 ein­zi­gen Regie­rungs­mit­glied den­noch Akzen­te set­zen kön­nen. Man den­ke nur bei Maria Vas­sila­kou an das bis heu­te gül­ti­ge 365-Euro-Öffi-Jah­res­ti­cket in Wien oder an die Neu­ge­stal­tung der inne­ren Maria­hil­fer Stra­ße, kurz MaHü.

Apro­pos Wien: In jedem Fall wäre eine rot-grü­ne Regie­rungs­ko­ali­ti­on im bevöl­ke­rungs­ärms­ten öster­rei­chi­schen Bun­des­land zwei­fels­oh­ne ein Fin­ger­zeig für die Land­tags- und Gemein­de­rats­wah­len in Öster­reichs bevöl­ke­rungs­reichs­tem Bun­des­land. In dem ja, wie bereits an frü­he­rer Stel­le bemerkt, statt im Okto­ber nun bereits am 27. April gewählt wer­den soll. Doch bevor ich zu spä­te­rer Stun­de Anja Hai­der-Wall­ner im per­sön­li­chen Gespräch, dem auch ein Sel­fie mit ihr vor­aus­geht, als Nach­fol­ge­rin von Maria Vas­sila­kou anspre­che, lau­sche ich im zwei­ten Stock des Land­hau­ses der von Puls 24 und Kro­ne TV gemein­sam über­tra­ge­nen „Ele­fan­ten­run­de“, der Dis­kus­si­on der Spit­zen­kan­di­da­tin und der Spit­zen­kan­di­da­ten. Es geht um die Zuge­win­ne der FPÖ, die jedoch weni­ger stark als von man­chen im Vor­feld erwar­tet aus­ge­fal­len waren. Es geht auch um die Ver­lus­te der ÖVP, und um den deut­lich ver­pass­ten Ein­zug in den Land­tag der bei­den Par­tei­en NEOS und Lis­te Haus­ver­stand. Ganz beson­ders geht es jedoch um die bereits zuvor im Text erwähn­te Regie­rungs­ko­ali­ti­on zwi­schen der Erst­plat­zier­ten SPÖ und den im Land­tag ver­blie­be­nen Grü­nen. Nicht zufäl­lig wur­den wohl SPÖ-Lan­des­haupt­mann und ‑Spit­zen­kan­di­dat Hans Peter Dosko­zil und die Spit­zen­kan­di­da­tin der Grü­nen, Anja Hai­der-Wall­ner, direkt neben­ein­an­der plat­ziert in der Dis­kus­si­ons­run­de.

Sze­nen­wech­sel zur Wahl­par­ty der Grü­nen in einem Lokal mit Bar­ho­ckern und Steh­ti­schen in der Eisen­städ­ter Fuß­gän­ger­zo­ne. Wäh­rend die FPÖ in der bereits oft erwähn­ten Roof­top Bar im 4. Stock des Hotels Galán­tha unter Aus­schluss der Öffent­lich­keit fei­ert, ist die Grü­ne Wahl­par­ty für Journalist:innen offen. Dazu zählt auch die bereits im engen Grü­nen Land­tags­klub anwe­sen­de Bur­gen­land-heu­te-Mode­ra­to­rin Rapha­e­la Pint. Ich erzäh­le ihr bei die­ser Gele­gen­heit, dass ich mit zwei­tem Vor­na­men Rapha­el hei­ße und dass ich im Vor­feld der Land­tags­wahl jeden Tag die Sen­dung „Bur­gen­land heu­te“ gese­hen habe, oft auch mit ihr als Mode­ra­to­rin. Eben­so erwäh­ne ich, dass ich bereits seit knapp fünf Jah­ren mitt­ler­wei­le, also in etwa seit den ers­ten Wochen der Coro­na-Pan­de­mie im März 2020, nahe­zu kei­ne Fol­ge ver­passt habe von den täg­li­chen abend­li­chen Lokal­nach­rich­ten­sen­dun­gen „Stei­er­mark heu­te“ und „Wien heu­te“, den Pen­dants zu dem von ihr seit mitt­ler­wei­le vier Jah­ren mode­rier­ten „Bur­gen­land heu­te“. Sie macht auch ein paar Han­dy-Fotos, wohl für sich selbst als Gedächt­nis­stüt­ze für den spä­ter zu ver­fas­sen­den Bericht in „Bur­gen­land heu­te“ am fol­gen­den Mon­tag­abend. Und inter­viewt anwe­sen­de Grü­ne. Auch mit Spit­zen­kan­di­da­tin Anja Hai­der-Wall­ner unter­hal­te ich mich zu etwas fort­ge­schrit­te­ne­rer Stun­de. Um 23 Uhr sind nur mehr anwe­send ich, die bereits zuvor erwähn­te Spre­che­rin der Grü­nen Jugend Bur­gen­land Sama­ra Sán­chez Pöll sowie der bei der letz­ten Natio­nal­rats­wahl erfolg­los kan­di­die­ren­de Phil­ip Jura­nich, dazu die bei­den Lokal­be­trei­ber sowie eini­ge weni­ge ande­re. Um Mit­ter­nacht gehe auch ich ins Gebäu­de, in des­sen vier­tem Stock unter Aus­schluss der Öffent­lich­keit die FPÖ-Wahl­par­ty statt­fin­det. Ich blei­be jedoch im ers­ten Stock, es han­delt sich ja um das Hotel Galán­tha, und bege­be mich in mein Zim­mer.

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