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“Schwan­da, der Dudel­sack­pfei­fer” an der Oper Graz


Text: Lukas Wogrol­ly / Living Cul­tu­re; Fotos: Oper Graz
Am 18. Dezem­ber 2021 hat­te die viel­fach unbe­kann­te Mär­chen­oper „Schwan­da, der Dudel­sack­pfei­fer“ von Jaromír Wein­ber­ger in der Ori­gi­nal­spra­che Tsche­chisch Pre­mie­re.

Ich begin­ne die­se Rezen­si­on eines Stücks, das ich am Vor­abend als regu­lä­re (nicht, zumin­dest nicht wenn es nach dem Spiel­plan der dies­jäh­ri­gen Spiel­zeit 2020/21 geht, coro­nabe­dingt ver­scho­be­ne) Pre­mie­re erle­ben durf­te, etwas unge­wöhn­lich und unor­tho­dox. Näm­lich mit einer indi­rek­ten Zita­ti­on aus einem Wiki­pe­dia-Arti­kel. Obwohl mir bewusst ist, dass Wiki­pe­dia als Quel­le mit Vor­sicht zu genie­ßen sei, ver­wen­de­te ich die Online-Enzy­klo­pä­die als Vor­be­rei­tung auf „Schwan­da, der Dudel­sack­pfei­fer“. Dar­in heißt es: Die hier vor­lie­gen­de Oper hät­te außer­halb ihres Ent­ste­hungs­lan­des Tsche­chi­en grö­ße­ren Erfolg gehabt als inner­halb. Sozu­sa­gen Nemo pro­fe­ta in patria auch Jaromír Wein­ber­ger. Und wei­ter: Nach dem Zwei­ten Welt­krieg geriet die­ses Stück wei­test­ge­hend in Ver­ges­sen­heit, wur­de jedoch Anfang des ver­gan­ge­nen Jahr­zehnts, also Anfang der 2010er-Jah­re, in Dres­den ein­drucks­voll in Sze­ne gesetzt. Und wie schon letz­ten Abend ver­mu­tet und auch mir all­ge­mein bekannt, war in die­ser Zeit die der­zei­ti­ge geschäfts­füh­ren­de Inten­dan­tin der Oper Graz, Nora Schmid, als eine Art Assis­tenz der Inten­danz in Dres­den tätig. Sie dürf­te also aus die­ser Zeit recht vie­le Ein­drü­cke von „Schwan­da“, wie ich die zwei­ak­ti­ge Mär­chen­oper in wei­te­rer Fol­ge nen­nen darf, in ihre Zeit in Graz mit­ge­nom­men haben. Und daher die Idee die­ser Insze­nie­rung gehabt haben. Das alles ist rei­ne Hypo­the­se, denn ich konn­te bis jetzt die geschätz­te Frau Inten­dan­tin noch gar nicht per­sön­lich dazu befra­gen. Ist aber viel­leicht auch nicht unbe­dingt nötig. In jedem Fall habe ich die­se Hypo­the­se ges­tern Abend, als ich mir am Pres­se­schal­ter die Pre­mie­ren­kar­te abhol­te, im Gespräch mit Oper-Graz-Mar­ke­ting­la­dy Julia Aich­hol­zer geäu­ßert.
So viel nun also zu mei­nem per­sön­li­chen Zugang, jetzt zur Oper selbst. Sie ver­führt und ent­führt uns ein­mal mehr in eine Traum­welt, mär­chen­haft-kit­schig mit über­zo­ge­nem Pathos und über­zo­ge­nen Ele­men­ten. Der Kon­trast zwi­schen dem eisi­gen Eis­pa­last der Eis­kö­ni­gin und den Pin­gui­nen in Akt 1 und der hei­ßen Höl­le mit den vie­len in gepols­ter­ten Kos­tü­men ste­cken­den Teu­feln und Teu­fe­lin­nen in Akt 2 ist ekla­tant. Unter­mau­ert natür­lich durch die gro­ße farb­li­che Dis­so­nanz. Auch, dass vie­le oder sogar alle die noch in Pin­guin­kos­tü­men gesteckt waren, dann auch bei der Ver­beu­gung die hei­ßen Höl­len­kos­tü­me tra­gen, also prak­tisch eine Dop­pel­rol­le auf­fül­len und sich kei­ne Pin­gui­ne ver­beu­gen, fällt auf. Wei­ters her­aus­ra­gend, auch im wort­wört­li­chen Sinn aber nicht nur, ist die Tat­sa­che, dass mit dem Dudel­sack ein Instru­ment im Mit­tel­punkt steht, das wir eher als cha­rak­te­ris­tisch für die schot­ti­sche Kul­tur, und wohl viel weni­ger für die tsche­chi­sche, betrach­ten. Der tsche­chi­sche Dudel­sack­pfei­fer Schwan­da. Die­ses Instru­ment wird, wie es im Pro­gramm­heft heißt, jedoch kein ein­zi­ges Mal wirk­lich gespielt, denn die Musik kommt nicht – wie bei so man­chem Kon­zert – Play­back vom Band, aber eben auch nicht aus dem Dudel­sack. Son­dern natür­lich aus dem Orches­ter­gra­ben. Da sind wir nun schon beim Diri­gen­ten Robert Jin­dra, ein Tsche­che für ein tsche­chi­sches Stück, gut so. Und wol­len wei­ters noch erwäh­nen, dass sich die Hand­lung auf eini­ge weni­ge Haupt­fi­gu­ren beschränkt, deren Leis­tung mehr als über­zeu­gend wirkt. Am meis­ten Bei­fall bekommt neben dem Titel­hel­den­dar­stel­ler Petr Soko­lov der Dar­stel­ler des cha­ris­ma­ti­schen Räu­bers Bab­in­s­ký, Mat­thi­as Kozio­row­ski. All­ge­mein wirkt die Insze­nie­rung kei­nes­wegs über­zo­gen und über­zeich­net, vie­le Mul­ti­me­dia­ele­men­te machen das Stück, wenn auch gänz­lich unbe­kannt, zu einer fan­tas­ti­schen Show im moder­nen Zeit­al­ter des 21. Jahr­hun­derts. Auch für Kin­der eine fei­ne Sache, die Nähe zu spe­zi­ell für das jun­ge Publi­kum geschrie­be­nen Stü­cken lässt sich nicht leug­nen. Und ein paar Sachen zum Lachen sind auch dabei. Natür­lich hat die­se Oper viel­leicht nicht die his­to­ri­sche, baro­cke Ele­ganz bekann­te­rer Kom­po­nis­ten, aber dafür eben wesent­lich mehr Far­be, mehr Show und mehr Rem­mi­dem­mi. Auch die Gren­ze zum Musi­cal ist nicht all­zu weit. Wer eine Oper erle­ben möch­te, wie es sie nicht oft zu sehen gibt, außer bei den eigens für Kin­der ange­leg­ten Pro­duk­tio­nen, ist bei „Schwan­da, der Dudel­sack­pfei­fer“ in jedem Fall rich­tig. Der tosen­de Applaus mit Stan­ding Ova­tions von Sei­ten des Pre­mie­ren­pu­bli­kums am 18. Dezem­ber möge hier­für die bes­te Emp­feh­lung sein.


Schwan­da, der Dudel­sack­pfei­fer

Švan­da dudák

Jaromír Wein­ber­ger

Oper in zwei Akten (fünf Bil­dern) ~ Libret­to von Miloš Kareš
In tsche­chi­scher Spra­che mit deut­schen Über­ti­teln

Emp­foh­len ab 14 Jah­ren

Ein veri­ta­bler Hah­nen­schrei im Orches­ter führt uns auf Schwand­as Bau­ern­hof, wo sei­ne Frau Dorot­ka das Feder­vieh hütet. Der Räu­bers­mann Bab­in­s­ký ver­lockt Schwan­da zu Aben­teu­ern in der wei­ten Welt, und schon lässt er sei­ne Ange­trau­te zurück. Mit sei­nem Dudel­sack­spiel erwärmt er das Herz der Eis­kö­ni­gin. Als sie aller­dings erkennt, dass er bereits ver­hei­ra­tet ist, muss sein Kopf rol­len. Wie durch Zau­ber­hand ver­wan­delt sich das Hen­kers­beil in einen Besen, aber Schwan­da ent­kommt nur für einen kur­zen Moment der Gefahr, denn ein unbe­dach­tes Wort kata­pul­tiert ihn direkt in die Höl­le, wo sich der Teu­fel unend­lich lang­weilt. Schwan­da wei­gert sich stand­haft, dem Höl­len­fürs­ten etwas auf sei­nem Dudel­sack vor­zu­spie­len. Zwar gelingt es dem Teu­fel, Schwan­da die See­le abzu­luch­sen, doch Bab­in­s­ký ist geris­se­ner als der Teu­fel selbst. Er befreit Schwan­da aus der Höl­le und bringt ihn zu Dorot­ka zurück. Daheim ist’s am schöns­ten, denn hier „hört man die Gän­se schrein, kräht auch der Hahn“.

Die Gra­zer Neu­pro­duk­ti­on insze­niert Dirk Schme­ding, der mit Janá­ček-Insze­nie­run­gen und zuletzt „Rusal­ka“ in Braun­schweig mit dem tsche­chi­schen Reper­toire bes­tens ver­traut ist. Für authen­tisch tsche­chi­sche Klang­pracht sorgt Robert Jin­dra.

Die Oper Graz hält sich an die gesund­heits­po­li­ti­schen Vor­ga­ben der Regie­rung.
Die Rah­men­be­din­gun­gen für Ihren Besuch in der Sai­son 2021/22 erfah­ren Sie auf oper-graz.com.

 

Musi­ka­li­sche Lei­tung Mari­us Bur­kert
(Feb: 2, 5, Mär: 11, 27) /
(Dez: 22, Jan: 7, 9, 13, Apr: 3)
Insze­nie­rung Dirk Schme­ding
Cho­reo­gra­phie Bea­te Vollack
Dra­ma­tur­gie Bernd Krispin
Chor & Extra­chor Bern­hard Schnei­der

 

Schwan­da Petr Soko­lov
Köni­gin Anna Brull (Jan: 7, 9, 13, Feb: 2, 5, Mär: 11, 27, Apr: 3)

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Magi­er Dae­ho Kim
Ers­ter Lands­knecht | Rich­ter | Scharf­rich­ter Mar­lin Mil­ler
Höl­len­haupt­mann | Des Teu­fels Famu­lus Mar­tin Four­nier
Zwei­ter Lands­knecht San­gye­on Chae

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