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Salon d’a­mour in Bre­genz — Ver­ba­le Grenz­über­schrei­tung im Akti­ons­thea­ter


Text: Lukas Wogrol­ly, Fotos: Living Cul­tu­re (1), Ger­hard Breit­wie­ser (9)

Es ist wahr­lich ein beson­de­rer Abend, die Gala des seit 15 Jah­ren in Bre­genz bestehen­den die­ses Akti­ons­thea­ters „Salon d’amour“. Um dort­hin zu gelan­gen, muss ich in einen Innen­hof und dann eine klei­ne Stie­ge hin­auf. Irgend­wie habe ich das Gefühl die Atmo­sphä­re lebt davon, weder Fisch noch Fleisch zu sein. Was ich damit mei­ne? Auf der einen Sei­te sind die Leu­te die mir begeg­nen alle fein ange­zo­gen. Und es geht ähn­lich nobel zu wie im Casi­no. Eine Gar­de­ro­be zum Auf­hän­gen, ein gro­ßer Saal mit Tischen, ein Bar­be­reich und eine Büh­ne für die Band. Auf der ande­ren Sei­te erin­nert mich das alles eher ans unge­zwun­ge­ne Kaba­rett, an die Klein­kunst, wo Lacher bekannt­lich garan­tiert sind. Und wo nor­ma­ler­wei­se ein lege­rer Dress­code herrscht.
Als nun das Stück beginnt, habe ich das Gefühl, ich soll­te recht behal­ten. Es gibt näm­lich kei­ne rich­ti­ge Büh­ne außer einem Platz für die Band die immer wie­der Musik macht. Dar­über an der Wand eine Lein­wand mit sich wie­der­ho­len­den Schwarz-Weiß-Sze­nen in Zeit­lu­pe. Städ­te um die Jahr­hun­dert­wen­de, wil­de Ver­fol­gungs­jag­den, alles ein biss­chen Slap­stick. Abge­se­hen von die­sem Bereich spielt sich das Gesche­hen zudem auf drei Plät­zen im Publi­kum ab. Eine als Sebas­ti­an Kurz ver­klei­de­te Schau­spie­le­rin mit auf­ge­steck­ten abste­hen­den Ohren und extrem hoher Stim­me liest angeb­lich aus der Kurz-Bio­gra­fie. Ein paar Tische wei­ter liest ein Autor aus sei­nem neu­es­ten Buch. Und nahe bei mir per­formt eine jun­ge Frau. Sie alle wech­seln sich ab.
Nun zum Inhalt: Das was an Aus­drü­cken ver­ba­li­siert wird, ist Slap­stick, Zynis­mus, Ero­ti­sches, und auch ein biss­chen Obs­zö­ni­tä­ten. Gleich vor­ab: Es wer­den kei­ner­lei Nackt­sze­nen gezeigt, alles pas­siert rein auf ver­ba­ler Ebe­ne. Und den­noch. Wie so oft hat man den Ein­druck, es sei ein Spiel mit dem Feu­er oder mit der Geschmack­lo­sig­keit, mit Grenz­über­schrei­tung. Der Autor spricht viel von Penis­sen und Exkre­men­ten. Und fragt sich, ob die Exkre­men­te jener Per­so­nen die sich gesund ernäh­ren eine ande­re Qua­li­tät hät­ten als jene von Leu­ten die sich weni­ger gut ernäh­ren. Eine Ant­wort dar­auf gibt es nicht. Ähn­lich zynisch und obs­zön wird auch über Sebas­ti­an Kurz gespro­chen. Doch das Publi­kum applau­diert. Und man hat das Gefühl, das Gan­ze, genannt im Übri­gen Akti­ons­thea­ter, spielt mit Grenz­über­schrei­tung, sprich spielt mit den Gren­zen des guten Geschmacks. Erst ganz zum Schluss gibt es eine Grenz­über­schrei­tung die so vom Publi­kum nicht gou­tiert wird. Es gibt zwar kei­ne Buh-Rufe aber eben auch null Applaus. Gar kei­ne Reak­ti­on. Grund dafür war, dass das Ensem­ble Auf­se­hen erre­gen woll­te mit einem abso­lu­ten Tabu. Näm­lich der Par­odi­sie­rung, der Par­odien auf so etwas Erns­tes wie Ter­ror­an­schlä­ge. War es im ero­ti­schen Bereich noch eini­ger­ma­ßen ok, die Gren­ze zu über­schrei­ten und auf­se­hen­er­re­gen­de Aus­drü­cke zu ver­wen­den, so ist es das hier nun defi­ni­tiv nicht mehr. Sie wer­den es sich mer­ken, die Schau­spie­ler.
Und der gan­ze Abend lie­ße sich umschrei­ben mit “Das ver­ba­le Spiel mit dem Feu­er der Grenz­über­schrei­tung und dem Bruch von Tabus.” Sei es, ero­ti­scher Natur, sei es ande­rer Natur. Und alles in ele­gan­tem, fei­nem Ambi­en­te wie im Casi­no. Bewor­ben bzw. beschrie­ben wur­de die Ver­an­stal­tung übri­gens auf Face­book mit „15 Jah­re Salon d’amour: Das muss gefei­ert wer­den. Mit einer klei­nen, exklu­si­ven Salon d’Amour Gala: Also wer­fen Sie sich in ihr schöns­tes oder schrägs­tes Abend­kleid, Matu­ra-Anzug, Prin­zes­sin­nen-Out­fit oder auch nicht und genie­ßen Sie eine Melan­ge aus kon­kre­ter Poe­sie, Lite­ra­tur, Per­for­man­ces, Musik uvm. Immer an der Gren­ze des Pein­li­chen. Will­kom­men beim Salon d’amour! Will­kom­men zu einer glanz­vol­len anar­chis­ti­schen Gala.“

Mit: Nadi­ne Aba­do – PH-Lion, Fic­tion­play; Alex­an­der Yan­ni­los, Ste­phan Eibel Erz­berg, Maria Fli­ri, Isa­bel­la Jesch­ke, Mar­tin Hem­mer u. v. a.

Regie/Konzept: Mar­tin Gru­ber; Dra­ma­tur­gie: Mar­tin Ojs­ter

www.aktionstheater.at


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