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Lebens­stra­ßen — Sta­tio­nen-Thea­ter in der See­stadt


Text: Lukas Wogrol­ly, Fotos: Living Cul­tu­re
Auf­grund des gro­ßen Erfol­ges im Pre­mie­ren­jahr 2018 per­form­te Thea­ter 7 auch 2019 als Wie­der­auf­nah­me das Stra­ßen- und Sta­tio­nen­thea­ter “Lebens­stra­ßen” in der See­stadt Aspern in Wien. Grund­te­nor des Stücks: Die See­stadt ist weib­lich.

Im flä­chen­mä­ßig größ­ten Wie­ner Bezirk Donau­stadt (in etwa zwei Drit­tel der Gesamt­flä­che von Graz), jen­seits der Donau im soge­nann­ten “Trans­da­nu­bi­en”, liegt mit der See­stadt Aspern eines der größ­ten Stadt­ent­wick­lungs­ge­bie­te Euro­pas. Nur unweit von dort, wo 1809 Napo­le­on in der Schlacht von Aspern Öster­reich-Ungarn unter­lag, befand sich bis in die 1970er Jah­re ein Flug­platz, der vor allem im Zwei­ten Welt­krieg bekannt gewor­den war. Nach der Schlie­ßung des Flug­fel­des pflanz­ten 1987 400 Wie­ner Schü­le­rIn­nen Bäu­me für einen Gedenk­wald. Heu­te (ent)steht auf die­ser Flä­che neben dem Gedenk­wald, auf dem Are­al des ehe­ma­li­gen Flug­fel­des, die See­stadt Aspern. In ihrem End­sta­di­um sol­len hier 20.000 Men­schen leben und eben­so vie­le arbei­ten, der­zeit ist es zir­ka die Hälf­te.

Eine Beson­der­heit der See­stadt Aspern ist, dass die Stra­ßen hier fast aus­schließ­lich nach Frau­en benannt sind. Dazu ent­schied man sich, da vor der Errich­tung der See­stadt in Wien von 4.269 nach Per­so­nen benann­ten Stra­ßen und Plät­zen ledig­lich 356 (!) die Namen von Frau­en tru­gen. Die Thea­ter­grup­pe Thea­ter 7 mach­te sich die­se Beson­der­heit zu eigen und führ­te 2018 das Sta­tio­nen­thea­ter “Lebens­stra­ßen” erst­mals in der See­stadt auf. Auf­grund des gro­ßen Erfol­ges kam es im Fol­ge­jahr 2019 zu einer Wie­der­auf­nah­me.

Doch wor­um geht es genau in dem Stück? “Lebens­stra­ßen” ist eine Zeit­rei­se in die Geschich­te der Rol­le der Frau im Lau­fe der Jahr­hun­der­te. Zahl­rei­che berühm­te Frau­en, nach denen die Stra­ßen und Plät­ze in der See­stadt benannt sind, kom­men hier zu Wort. Sie wer­den von Schau­spie­le­rin­nen unter­schied­li­chen Alters mit vie­len Mehr­fach­rol­len ver­kör­pert, und das an unter­schied­li­chen Orten der See­stadt. Somit ist “Lebens­stra­ßen” nicht nur eine Zeit­rei­se, son­dern auch eine Rund­rei­se durch die­ses fas­zi­nie­ren­de Stadt­ent­wick­lungs­ge­biet, das ein biss­chen an Sim City und ande­re ähn­li­che Video­spie­le erin­nert. Nicht zuletzt erfah­ren die Teil­neh­men­den dabei  eini­ge Fak­ten über die See­stadt. Auch die Band­brei­te an The­men und Back­grounds ist erstaun­lich groß. Hei­ter­keit kommt etwa auf bei Janis Jop­lin oder Jose­fi­ne Hawel­ka, bekannt durch die gleich­na­mi­ge Wie­ner Kaf­fee­haus­in­sti­tu­ti­on. Sie ver­teilt Buch­teln für alle. Doch auch den dunk­len Sei­ten der Geschich­te ist sehr viel Platz gewid­met. Der Kampf als Frau gegen die Unter­drü­ckung, der Kampf gegen das Nazi-Regime, wird mehr­fach the­ma­ti­siert, etwa bei Maria Pote­sil, Her­mi­ne Dasovs­ky oder Ella Lin­gens. Auch Graz-Bezug gibt es eini­gen, bei­spiels­wei­se bei Chris­ti­ne Toui­al­lon oder Geor­gi­ne Stei­nin­ger. Und dann ist da eben noch die­ses immer wie­der­keh­ren­de The­ma der Geschich­te der Rol­le der Frau im Lau­fe der Jahr­hun­der­te. Anselm Lip­gens, zusam­men mit Vanes­sa Pay­er Kumar für die Regie ver­ant­wort­lich und wie auch sie Teil des Dar­stel­ler-Teams, ver­kör­pert in unter­schied­li­chen Rol­len meist den der es nicht wahr­ha­ben will, dass die Frau sich eman­zi­piert, dass sie unab­hän­gig wird und dass das tra­di­tio­nel­le Bild einer von der Män­ner­welt unter­drück­ten, den Män­nern unter­tä­ni­gen Frau der Ver­gan­gen­heit ange­hört. In die­sem Zusam­men­hang spielt auch die Text­än­de­rung in der öster­rei­chi­schen Bun­des­hym­ne eine Rol­le. Auf der ande­ren Sei­te die frei­heits­lie­ben­den Frau­en auf dem Weg in die Selbst­be­stim­mung, die sich in den unter­schied­lichs­ten Domä­nen der Män­ner­welt behaup­ten wol­len. Ada Love­lace als Mathe­ma­ti­ke­rin, Chris­ti­ne Toui­al­lon als Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­le­rin, Maria Tusch und Agnes Pri­mo­cic als Arbei­ter­füh­re­rin­nen, Tusch zudem auch als Poli­ti­ke­rin. Und natür­lich dür­fen auch jene Bran­chen nicht feh­len in denen Frau­en immer schon eine gro­ße Rol­le gespielt haben zah­len­mä­ßig. Psy­cho­lo­gie und Päd­ago­gik (Lot­te Schenk-Danz­in­ger), Psy­cho­the­ra­pie und Psy­cho­ana­ly­se (Geor­gi­ne Stei­nin­ger und Else Fren­kel-Bruns­wick) sowie natür­lich Lite­ra­tur und Phi­lo­so­phie mit Mimi Gross­berg, Mela Spi­ra, Susan­ne Schmi­da oder Han­nah Are­ndt.
Alle Frau­en die in die­sem Stück vor­kom­men, habe ich jetzt nicht genannt. Dafür nen­ne ich jetzt noch ein paar die nicht vor­kom­men und aber aus mei­ner Sicht wich­tig sind: Marie Curie, Ber­tha von Sutt­ner oder Flo­rence Night­in­gale. Nicht zu ver­ges­sen Mut­ter Tere­sa und Sophie Scholl.
Tja, es gäbe noch vie­le wei­te­re bedeu­ten­de Frau­en der Geschich­te. “Lebens­stra­ßen” bie­tet nur einen klei­nen Ein­blick in die­se fas­zi­nie­ren­de weib­li­che Welt und das auf ein­zig­ar­ti­ge Art und Wei­se. Man hat ein biss­chen das Gefühl, für kein ande­res Thea­ter­stück als für so ein Frau­en-Geschichts­the­ma wäre die See­stadt bes­ser geeig­net. Denn: Die gan­ze See­stadt ist Büh­ne. Und, nicht zu ver­ges­sen: Die See­stadt ist weib­lich.


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