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Land­tags­wahl Tirol 25. Sep­tem­ber 2022 – Das Ende der Grü­nen Regie­rungs­be­tei­li­gung


Text und Fotos: Lukas Wogrol­ly / Living Cul­tu­re
Beim vor­ge­zo­ge­nen Urnen­gang in Tirol hat­te Living Cul­tu­re Chef­re­dak­teur Lukas Wogrol­ly his­to­ri­sche Erleb­nis­se in Inns­bruck.

Es war ein ganz beson­de­rer Auf­ent­halt in Inns­bruck. Weil ich in der Mail­vor­be­rei­tung mit den Grü­nen Tirol was zu klä­ren hat­te. Und weil mich mit­ten am Wahl­sonn­tag, kurz vor der Grü­nen Wahl­par­ty, die Schre­ckens­nach­richt eines Schick­sals­schla­ges, des plötz­li­chen Able­bens einer Matu­ra­kol­le­gin, ereil­te. Es war beson­ders, da die aktu­el­le Grü­ne Regie­rungs­mann­schaft nach die­ser Wahl aus der Poli­tik schei­den soll­te. Und es war aber auch ein ganz beson­ders unver­gess­li­cher Auf­ent­halt.

Begin­nen wir mit der Anrei­se am Sams­tag von Wien im Rail­jet mit Kli­ma­ti­cket in der Busi­ness Class, um mich vor­zu­be­rei­ten, in Ruhe zu arbei­ten. Dann der Sonn­tag. Mit dem Bus ging es von mei­ner Unter­kunft, dem „Haus der Begeg­nung“ der Diö­ze­se Inns­bruck, dank Kli­ma­ti­cket unkom­pli­ziert nach Rum hoch über Tirols Lan­des­haupt­stadt. Kur­zer Spa­zier­gang durch den Ort mit Ban­ko­mat­ab­he­bung. Im ein­zi­gen am Sonn­tag­vor­mit­tag offe­nen Café in Rum, dem „Forum Café“, trank ich bewusst Tee mit Rum. So weit, so gut. Und erzähl­te, war­um ich hier sei. Die Ingrid Feli­pe sei doch schon weg, sag­te mir der Cafe­tier. Ne, ent­geg­ne­te ich. Eine Lan­des­re­gie­rung bleibt im Amt bis zur Ange­lo­bung der neu­en Lan­des­re­gie­rung.

Es ging für mich danach zu einem Kin­der­gar­ten. Wie schon 2018 war­te­te ich hier auf die Stimm­ab­ga­be der grü­nen Lan­des­haupt­mann­stell­ver­tre­te­rin Ingrid Feli­pe. Doch vie­les war anders. Es war Sep­tem­ber und nicht Febru­ar. Die Grü­nen, einst mit ihr als Bun­des­spre­che­rin aus dem Par­la­ment geschie­den, dank vor­zei­ti­ger Neu­wah­len wegen des Ibi­za-Skan­dals längst wie­der zurück im Hohen Haus und sogar erst­mals in der Bun­des­re­gie­rung. Und Ingrid Feli­pe war nicht mehr Spit­zen­kan­di­da­tin. Das merk­te man an der Absenz der übri­gen Medi­en­ver­tre­te­rIn­nen.

Ich war tat­säch­lich der ein­zi­ge anwe­sen­de Jour­na­list. Kurz nach 11 Uhr fuhr ein E‑Auto vor auf den Kin­der­gar­ten­park­platz. Zwei jun­ge Män­ner stie­gen aus, mit ihnen hin­ten kam auch Ingrid Feli­pe.

Wir grüß­ten ein­an­der, wech­sel­ten ein paar Wor­te. Ich foto­gra­fier­te spar­sam. Sah sie den Urnen­gang absol­vie­ren. Mir fast pein­lich, qua­si wie ein Papa­raz­zo da zu sein. Und so insze­nier­te ich nichts, mach­te Screen­shots der Vide­os. Nach der Stimm­ab­ga­be ging sie zu Fuß in den Ort, die zwei­fa­che männ­li­che Beglei­tung nahm das E‑Auto.

Und ich auf Schus­ters Rap­pen den Cani­sius­weg und den Schus­ter­berg­weg, über die ich berg­ab zurück nach Inns­bruck gelang­te, zu Inn und Sill. Dann Mit­tag­essen im „Das Ahorn“ und zurück in die Unter­kunft, ins „Haus der Begeg­nung“. Kur­ze Pau­se, in die eine unge­heu­er­li­che Nach­richt — wie ein Erd­be­ben — fiel. Mei­ne Matu­ra­kol­le­gin tot. Nichts war mehr wie es war und ich recher­chier­te, erkun­dig­te mich. Mein Leben geht wei­ter, ihres nicht mehr.

Es war alles sur­re­al; ich ging in die City zum Gol­de­nen Dachl, zum Tri­umph­bo­gen und zur Wahl­par­ty letzt­end­lich, in der Glas­ma­le­rei neben der Grü­nen Wahl­zen­tra­le. Men­schen­an­samm­lun­gen, als gäbe es kein Coro­na. Fast nur ich tra­ge Mas­ke und vie­le Medi­en auf engs­tem Raum.

Ich bier­trin­kend mit Kra­wat­te in ORF 2 bei der Live-Schal­tung. Ein grü­nes Ergeb­nis mit erwar­te­ten Ver­lus­ten, bei dem auch die Bun­des­po­li­tik mit­ge­spielt haben dürf­te. Spit­zen­kan­di­dat Gebi Mair kommt etwas spä­ter, nach Absol­vie­rung der Medi­en­termi­ne im Land­haus. Kurz, bün­dig, prä­gnant impro­vi­siert sei­ne Rede vor der ver­sam­mel­ten Grü­nen Anhän­ge­rIn­nen­schaft. Als kön­ne man es nicht ändern und als sei alles so gekom­men wie erwar­tet.

Ein Sitz weni­ger im Land­tag, über­holt von Lis­te Fritz und der Wunsch nach einer Drei­er­ko­ali­ti­on. Der sich nicht bewahr­hei­ten soll­te, denn der Weg auf die Oppo­si­ti­ons­bank war geeb­net. Schwarz-Rot, wie in der Stei­er­mark, soll­te auch die neue Tiro­ler Regie­rungs­ko­ali­ti­on wer­den.

Dann gutes vega­nes Essen und Trin­ken ohne Ende. Aber gedämpft, mit ange­zo­ge­ner Hand­brem­se. Klub­ob­frau Sigi Mau­rer, ursprüng­lich aus Tirol aber in Wien poli­tisch groß gewor­den und Bar­ba­ra Neß­ler, ursprüng­lich aus Vor­arl­berg, aber in Tirol poli­tisch groß gewor­den, als Ver­tre­te­rin­nen des grü­nen Par­la­ments­klubs. Der Grü­ne Inns­bru­cker Bür­ger­meis­ter Georg Wil­li. Und Gebi Mair. Nur Ingrid Feli­pe fehlt. Doch sie sah ich ja schon am Vor­mit­tag in Rum hoch über Inns­bruck.

Spä­ter kommt Ingrid Feli­pe dann doch. Ich unter­hal­te mich mit ihr, mit Mag­da­le­na Vor­au­er aus einem Lan­des­rä­tin­nen­bü­ro, ein biss­chen mit Gebi Mair. Mit Sigi Mau­rer mache ich ein Sel­fie. Wäh­rend Bar­ba­ra Neß­ler und Sigi Mau­rer kurz zur Wahl­par­ty des Noch-Koali­ti­ons­part­ners ÖVP in die Rat­haus­ar­ka­den schau­en, blei­be ich die gan­ze Zeit bei den Grü­nen.

In Gedan­ken bin ich  bei mei­ner ver­stor­be­nen Matu­ra­kol­le­gin, ver­su­che die Hin­ter­grün­de ihres plötz­li­chen Able­bens zu ergrün­den. Aus­ge­las­se­nes Fei­ern ist nicht ange­sagt, auch ange­sichts des eher beschei­de­nen Wahl­er­geb­nis­ses. Und Öster­reichs Her­ren Fuß­ball-Natio­nal­mann­schaft ver­liert in der Nati­ons League das ent­schei­den­de letz­te Spiel 1:3 in Wien gegen Kroa­ti­en, steigt somit aus der höchs­ten Divi­si­on ab. Am Ende sind wir nur mehr eine Hand voll bei der Wahl­par­ty.

Gebi Mair, Ingrid Feli­pe, Bar­ba­ra Neß­ler die mitt­ler­wei­le von der ÖVP-Wahl­par­ty wie­der zurück ist, die dama­li­ge Bun­des­spre­che­rin der Grü­nen Jugend Öster­reich Moni­ka Mess­ner, Mag­da­le­na Vor­au­er und noch zwei, drei ande­re. Wir ver­ab­schie­den uns von­ein­an­der um zir­ka zwei Uhr nachts in die leicht ver­reg­ne­te Inns­bru­cker Innen­stadt. Ein denk­wür­di­ger 25. Sep­tem­ber geht zu Ende. An dem mir ein­mal mehr bewusst wur­de, wie kost­bar das Leben ist.

Inns­bruck und Tirol wer­den mir in Erin­ne­rung blei­ben. In die­sem Sin­ne Auf zu den Land­tags­wah­len 2023 in Nie­der­ös­ter­reich (29.1.), Kärn­ten (5.3.) und Salz­burg (23.4.). Bis dann!



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