Giuseppe Verdis „Die Macht des Schicksals“ an der Oper Graz
Text: Lukas Wogrolly / Living Culture; Fotos: Oper Graz
Am Samstag, 2. Oktober war es wieder so weit:
Die erste Produktion der neuen Spielzeit 2021/22 in der Oper Graz feierte ihre Premiere. Nach der Bühnenshow zum Saisonauftakt sowie dem Eröffnungskonzert nun also das erste Opernhighlight. Das Besondere vorweg: Im Unterschied zur abgelaufenen Saison wieder vor vollem Haus; also kein Sitzplatz mehr musste coronabedingt frei bleiben. Und auch das Maskentragen wurde lediglich empfohlen, war aber keinesfalls verpflichtend. Grund für diese lockere Handhabe im Unterschied zu früheren Zeiten in dieser nach wie vor anhaltenden Pandemie: Die berühmte 3G-Regel. Geimpft, Genesen, Getestet. Ungewohnt war für mich bei der Kontrolle selbiger weniger das Vorweisen des Impfnachweises, das ich schon zur Genüge von diversen Restaurants oder anderen Veranstaltungen gekannt hatte. Sondern vielmehr, dass ich mir nach der 3G-Kontrolle zunächst noch meine Karte holen musste, um dann zum Kontrollpunkt zurückzukehren und nun, nach dem 3G-Nachweis, mein Ticket kontrolliert zu bekommen. Aber das nur ein kleines Detail. Ein weiteres war, dass ich mir Brötchen und Getränke vom Catering des Kirchenwirt Pfeiffer in der Pause an einen Stehtisch bestellen konnte, ohne Wartezeit. Nun aber endlich zur Oper selbst: „La forza del destino“ oder zu Deutsch „Die Macht des Schicksals“ ist eine überaus tragische Oper, in der die italienische wie die spanische Welt nahezu gleichermaßen repräsentiert ist. Wenngleich die Sprache zu 100% Italienisch ist. Neben der italienischen wie spanischen Welt und der damit verbundenen Atmosphäre sticht auch die katholische Kirche als zentrales Motiv deutlich hervor. Und auch das Leben am Land, mit den Maultiertreibern oder den Szenen im Wirtshaus. Regisseurin Eva-Maria Höckmayr inszeniert diese etwas überlange Oper (daher schon der Beginn um 19 Uhr und nicht, wie sonst allgemein üblich, erst um 19:30 Uhr) mutig und gekonnt, mit vielen mir bis dato unbekannten Effekten. Damit meine ich weniger die Videoszenen, sondern vielmehr das Hochfahren von Bühnenelementen, die Verwendung von Podesten und vielem mehr. Manchmal habe ich fast das Gefühl einer Reizüberflutung, so viele Elemente – und oft auch Personen – sind gleichzeitig auf der Bühne, so viel geht da gleichzeitig ab. Und dennoch sind es gerade die subtilen Szenen die in diesen inklusive Pause gut drei Stunden in Erinnerung bleiben. Wenn eine Figur vor den Vorhang tritt und das Publikum beobachtet, lediglich um den Szenenumbau im Hintergrund zu ermöglichen und zu überbrücken. Wenn geschossen wird und wenn man das Gefühl hat, es geht hin und her. Ein Wechselbad der Gefühle, ein ständiges Auf und Ab. Man wird mitgerissen als Zuschauer und Zuhörer von so viel Action, erkennt in so mancher Melodie einen bekannten Ohrwurm. Und, wenn man wie ich, sich im Vorfeld die Inhaltsangabe zu Gemüte geführt hat, weiß man: So viele tragische Szenen, so viele Tode, so unheimlich brutal ist das alles. Sehr starkes Pathos und vor allem eine hervorragende Leistung aller Inszenierenden, aller Darstellenden. Im Gegensatz zu anderen Aufführungsrezensionen will ich bewusst keine Namen nennen, das machen ohnehin schon alle anderen die über diese Oper berichten. Denn was gibt es auch groß zu differenzieren: Alle Darstellenden werden begeistert vom Publikum gefeiert, die Italiener neben mir meinen nicht nur, sie hätten ein bisschen was gekürzt, sondern bevorzugen das Rufen von „Brava“ oder „Bravo“ oder „Bravi“ gegenüber dem klassischen Klatschen. Nach dem Stück bei der Garderobe höre ich andere Leute sagen, es sei ein toller Abend gewesen. In jedem Fall muss man sagen, bei dieser überlangen Oper selten so viel Energie und eine derart aufwändige, moderne Inszenierung gesehen zu haben. Die Einfachheit der früheren Zeit wird mit modernen Mitteln fast in die heutige Zeit übertragen und nimmt eben ob der vielen Multimedia-Elemente deutlich ab. In jedem Fall ein fulminanter Start in die neue Spielzeit – das meine nicht nur ich. Sehenswert! Und hörenswert natürlich ebenso!
Die Macht des Schicksals — Giuseppe Verdi
Oper in vier Akten ~ Libretto nach Duque de Rivas’ Drama „Don Álvaro o La fuerza del sino“ von Francesco Maria Piave (1862), Neufassung von Antonio Ghislanzoni (1869)
Empfohlen ab 15 Jahren
Leonora, Tochter aus gutem Hause, liebt Don Alvaro. Doch dieser wird von Leonoras Familie aufgrund seiner Herkunft als unwürdiger Bewerber abgelehnt. Als Alvaro durch einen Unglücksfall den Tod von Leonoras Vater verursacht, schwört ihr Bruder, Don Carlo, blutige Rache: Eine bedingungslose Verfolgungsjagd beginnt. Schuldgefühle und Rachegelüste, gepaart mit unglücklichen Fügungen, treiben die Handlung dieser Oper durch eine Welt, die immer mehr ins Chaos zu stürzen droht und einem verhängnisvollen Ende entgegensteuert: Gewalt statt Moral.
Und so resümiert Mönch Melitone: „Die Welt spielt verrückt. Was sind das bloß für Zeiten!“
Dieses Meisterwerk aus der Feder Giuseppe Verdis hat seit seiner Uraufführung 1861 nichts an Aktualität und Brisanz eingebüßt: Aus seiner kraftvollen, farbenreichen Partitur, die von Matteo Beltrami zu neuem Leben erweckt wird, treten uns Figuren entgegen, die zu lieben und hassen suchen, und dies vor dem blutgetränkten Hintergrund zweier Kriege. Regisseurin Eva-Maria Höckmayr kehrt nach Graz zurück und setzt dieses Machtspiel von unsterblicher Liebe, Hass und Verzweiflung in Szene.
Besetzung
Musikalische Leitung Matteo Beltrami(Okt: 7, 13, 16, 21, 24, 27, 31)/Marcus Merkel(Nov: 5, 19, 21, Dez: 5)
Inszenierung Eva-Maria Höckmayr
Bühne Momme Hinrichs
Kostüme Julia Rösler
Licht Olaf Freese
Video Momme Hinrichs
Dramaturgie Marlene Hahn/Alexander Meier-Dörzenbach
Chor & Extrachor Bernhard Schneider
Il Marchese di Calatrava Wilfried Zelinka
Donna Leonora Aurelia Florian
Don Carlo di Vargas Jordan Shanahan(Okt: 7, 16, 24, 27, Nov: 5, Dez: 5)/Mariusz Godlewski(Okt: 13, 21, 31, Nov: 19, 21)
Don Alvaro Aldo Di Toro
Preziosilla Mareike Jankowski
Padre Guardiano Timo Riihonen
Fra Melitone Neven Crnić
Curra Corina Koller
Un alcade Ivan Oreščanin
Mastro Trabuco Mario Lerchenberger
Un chirurgo Dariusz Perczak
Wissenswertes rund um die Produktion
Nach „Tosca“ auf den Kasematten ist vor „Die Macht des Schicksals“ in der Oper Graz
Do 7. Okt 2021
Vorstellung
19:00 bis ca. 22:15, Opernhaus Hauptbühne
€ 5 bis € 67
Mi 13. Okt 2021
Sa 16. Okt 2021
Do 21. Okt 2021
So 24. Okt 2021
Mi 27. Okt 2021
So 31. Okt 2021
Fr 5. Nov 2021
Fr 19. Nov 2021
So 21. Nov 2021
So 5. Dez 2021