George Bizets “Die Perlenfischer” an der Oper Graz
Text: Lukas Wogrolly / Living Culture; Fotos: Oper Graz
Coronabedingt bereits zweimal verschoben, feierten „Die Perlenfischer“ von Georges Bizet eine Woche vor dem Heiligen Abend, wenige Tage nach dem Ende eines Lockdowns, in der Oper Graz endlich Premiere. Im Vergleich zu meinem letzten Besuch Anfang Oktober merkte ich die wesentlich härteren Coronamaßnahmen. Aus dem 3G-Nachweis war ein 2G geworden, also getestet kam man hier gar nicht mehr rein. Aber das war für mich als seit dem 8. Dezember bereits 3‑fach Geimpften nicht so das Problem. Viel eher, dass ich im Unterscheid zu „La forza del destino“, der ersten Premiere der neuen Spielzeit, auf die Pausenbrötchen des Caterers „Kirchenwirt Pfeiffer“ leider verzichten musste. Und das, obwohl ich sie schon wohlweislich, nachdem das im Oktober mit der Bestellung vor der Pause und dem Servieren in der Pause, so wunderbar geklappt hatte, vorsorglich im Internet vorbestellt hatte. „Die Gastronomie öffnet doch justament an diesem Tag, dem 17. Dezember, nach über 3 Wochen Lockdown“, dachte ich mir. Und bekam leider wenige Stunden nach Aufgabe der Bestellung den Anruf mit der Message „Der Ihnen aus dem Oktober bekannte Barbetrieb ist uns leider nach den derzeit geltenden Bestimmungen untersagt. Wir hätten lediglich auf Restaurantbetrieb umstellen können, aber dann hätten nicht alle die das gewollt hätten, einen Platz bekommen“ – so in etwa die Message des Verantwortlichen vom Kirchenwirt Pfeiffer. Klar doch, die Oper hat nun mal nur eine Bar und keinen Restaurantbetrieb mit zugewiesenen Sitzplätzen. Und bietet eben daher auch nur die Gelegenheit, stehend beziehungsweise auf Barhockern, Speisen und Getränke zu konsumieren. Aber genau das war eben leider an diesem Abend für mich nicht möglich, da coronabedingt untersagt. Die zweite wesentliche Neuerung im Vergleich zu Oktober betraf die durchgängige FFP2-Maskenpflicht auch am Sitzplatz. Für mich nach fast 2 Jahren Pandemie beziehungsweise bald 1 Jahr Umgang mit FFP2-Maske an sich kein Problem, aber natürlich etwas auffällig.
Kommen wir nun zum Stück, also zur Oper in drei Akten von Georges Bizet, die der französische Komponist in etwa zehn Jahre vor seinem berühmtesten Werk „Carmen“ fertiggestellt hatte. Auch wenn „Die Perlenfischer“ nicht extrem oft gespielt werden, gab es für mich ein kleines Déjà-vu-Erlebnis. Denn vor mehr als dreizehn Jahren, im Jahr 2008, hatte ich, ebenfalls für Living Culture, diese Oper an anderer Stelle, nämlich im Teatro Verdi in Triest, bereits einmal erleben dürfen. Nachzulesen ist die damals entstandene Rezension hier: Perlenfischer_Teatro-Verdi_LC-03_2008(living-culture.at) Wie viele Opern entführt uns auch dieses Werk in eine Traumwelt, die diesmal mit dem fernen Ceylon, dem heutigen Staat Sri Lanka, eine ferne ist. In einigen Medienberichten heißt es aber, das Bühnenbild wurde so gewählt, dass diese Traumwelt überall sein könnte und nicht unbedingt (nur) auf Ceylon beziehungsweise Sri Lanka. Der ORF Steiermark geht in seinem Bericht auch ganz zu Beginn darauf ein, dass diese Oper vielleicht wegen des seltsamen Handlungsstrangs nicht so oft gespielt würde. Zwei Männer lieben ein und dieselbe Frau, sie entsagen beide der Liebe, um ihre Freundschaft nicht zu gefährden. Einer der beiden gibt dann doch nach und wird dafür vom anderen zunächst gehasst und verdammt und dann aber vor der Hinrichtung gerettet. Woraufhin er seine große Liebe erfüllt bekommt und der andere am Ende auf gut steirisch „blöd dasteht“. Eingebettet ist das Ganze in den Kontext der Titelhelden „Die Perlenfischer“, die, wie es im Programmheft zu Beginn heißt „täglich ihr Leben riskieren um die Muscheln mit den wertvollen Perlen vom Meeresgrund zu holen“. Sowie auch in den hinduistischen Glaubensmythos, denn die erwähnte große Liebe namens Leїla, bricht der Liebe wegen ihr Keuschheitsgelübde. Eine fantastische, fabelhafte Inszenierung mit Elementen von Feuer und Tod, die von Ben Baur und Beate Vollack stimmungsvoll in Szene gesetzt wird und von Marcus Merkel großartig dirigiert. Das bezeugt auch der tosende Applaus am Premierenabend.
Die Perlenfischer
Les pêcheurs de perles
Oper in drei Akten ~ Libretto von Michel Florentin Carré und Eugène Cormon
In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Empfohlen ab 13 Jahren
Welches Band ist stärker, das der Liebe oder das der Freundschaft? Als sich Zurga, gerade von den Perlenfischern Ceylons zum Anführer gewählt, und Nadir nach langer Zeit wieder begegnen, ist das Band der Freundschaft schon gelöst: Beide liebten sie einst die gleiche Frau, die Priesterin Leïla, deren magische Wirkung sie in einem der schönsten Duette der Opernliteratur („Au fond du temple saint“) besingen. Um der Freundschaft willen entsagten beide dieser Liebe, doch Nadir fand im Herzen keine Ruhe. Als nun Leïla zum Schutz der Perlenfischer, die Leib und Leben bei der Suche nach den schönsten Perlen riskieren, als Priesterin eingesetzt wird, nimmt das Drama seinen Lauf: Aus Freunden werden Rivalen, die Leidenschaft siegt, und Leïla, die Keuschheit gelobte, ist für immer beschmutzt. Schon wird alles für die Vollstreckung des Todesurteils vorbereitet …
Als 1863 Georges Bizet mit gerade einmal 24 Jahren, ausgezeichnet mit dem renommierten Rom-Preis, „Die Perlenfischer“ für das Pariser Théâtre-Lyrique schuf, stand Ceylon schon Jahrzehnte unter britischer Kolonialherrschaft. Das Werk verbindet auf raffinierte Weise „Einfachheit und den Schein des Fremden“ (so der Musikwissenschaftler Anselm Gerhard) und lässt Bizet nach dem Urteil von Hector Berlioz „die größte Ehre“ zu Teil werden.
In Szene setzt diese Dreiecksgeschichte Ben Baur, der in Graz mit „Roméo et Juliette“ und „Il Trovatore“ atmosphärisch-emotionale Inszenierungen erarbeitet hat.
Die Oper Graz hält sich an die gesundheitspolitischen Vorgaben der Regierung.
Die Rahmenbedingungen für Ihren Besuch in der Saison 2021/22 erfahren Sie auf oper-graz.com.
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