Elke Kahr — Vom Wohnen zum Verkehr
Text: Lukas Wogrolly; Fotos: Pachernegg, Living Culture
Sehr geehrte Frau Stadträtin, ich freue mich, für unser Magazin Living Culture bei Ihnen zu sein.
Sie sind nach Bürgermeister Nagl (seit 2003 Bürgermeister bzw. seit 1998 durchgehend im Stadtsenat) seit 2005 das zweitdienstälteste Mitglied im Grazer Stadtsenat. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?
Ich war für die Kommunisten von 1993 bis 2005 im Gemeinderat, davon ab 1998 Klubobfrau. Das heißt, ich bin bereits länger in der Kommunalpolitik tätig als unser Herr Bürgermeister. Und ich habe in dieser Zeit Menschen kommen und gehen sehen, Versprechen die nicht gehalten wurden. Aber es gibt auch sehr vieles, auf das ich stolz sein kann. Zum Beispiel die SozialCard, den Kautionsfond, die Mietzinszuzahlung. Oder auch die Stadtteilzentren, deren Budget der derzeitige Vizebürgermeister ja kürzen will. Wir haben erreicht, dass 1.000 neue Wohnungen gebaut werden, und einen Gebühren- und Tarifstopp. Last but not least zählt auch die für Personen mit Hauptwohnsitz Graz vergünstigte Jahreskarte zu unseren Errungenschaften. Allgemein kann ich sagen, dass das soziale Gesicht, das soziale Antlitz der Stadt Graz mit der KPÖ zu tun hat.
Nun die Frage zu Ihrer Partei: Ich fand überraschend, dass im EU-Wahlkampf weder Sie noch Ihre Kollegin Klimt-Weithaler auf Landesebene groß die Werbetrommel gerührt bzw. Wahlkampf gemacht hat für Katerina Anastasiou von KPÖ plus. Frau Anastasiou hab ich übrigens 1 Tag vor der Wahl in der Lugner City getroffen und bei der Gelegenheit befragt zu den Unterschieden zwischen KPÖ plus für die sie antritt und Ihre KPÖ in Graz bzw. in der Steiermark. Nun die Frage: Warum hat Ihre Partei mit Frau Klimt-Weithaler nicht für Frau Anastasiou Wahlkampf gemacht?
Ganz einfach: Weil ich der tiefen Überzeugung bin, dass man nicht auf 100 Hochzeiten tanzen kann. Bei der Nationalratswahl am 29.9. wird das anders sein. Da werden wir mitkandidieren. Denn es soll berichtet werden, dass unser steirischer Spitzenkandidat, mein Stadtrats- und Parteikollege Robert Krotzer, und Elke Kahr, also ich, Personen unterstützen denen es nicht so gut geht. Uns geht es im Nationalratswahlkampf nicht nur darum, das Sittenbild in der Politik aufzuzeigen. Sondern auch, eine echte Alternative darzustellen. Als eine Partei die soziale Gerechtigkeit lebt. Und die die Glaubwürdigkeit weitergibt und ein anderes Politikverständnis hat. Denn wir sind sozialpolitisch konsequenter. Und nah bei den Leuten. Viele SozialpolitikerInnen vergessen nach der Wahl was sie versprochen haben. Wir hingegen nicht. Und wir sind strikt dagegen, dass öffentliches Eigentum privatisiert wird. Insbesondere in den Bereichen Wasser oder Wohnraum wollen wir das nicht. Und da konnte die KP auch schon einiges verhindern. Und vor Ort helfen. Wie zum Beispiel mit dem Mieternotruf.
Kommen wir zu Ihren Aufgaben abseits der Partei bzw. als Stadträtin. Wie schmerzhaft war der Verlust des Wohnressorts? Und was machen Sie bzgl. Wohnen nach wie vor?
Der Verlust des Wohnressorts war nicht schmerzhaft. Es war einfach eine schäbige Vorgangsweise gegenüber jemandem, der seine Arbeit gut macht. Und man kann uns nur das Ressort wegnehmen, nicht aber die Kompetenz. Wir helfen den Leuten bei der Wohnungssuche. Und klären sie über ihre Rechte und Pflichten auf. Da sind wir konsequent, im Gegensatz zu den klassischen PolitikerInnen. Und mir ist auch ganz wichtig mein Verkehrsressort. Da geht es konkret im Kleinen um Verkehrsanliegen. Oder auch das Straßenbahnpaket II, das jüngst präsentiert wurde, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Nun zum Verkehr: Zuerst was wirklich Positives: Erläutern Sie unseren Lesern bitte die Bim-Ausbaupläne, die Sie ja gemeinsam mit Herrn Bürgermeister Nagl jüngst präsentiert haben. Also die Bim durch die Keplerstraße zur Uni, die Nordwestlinie, die Südwestlinie…Wie schaut da der weitere „Fahrplan“ bzw. Zeitplan aus. Mit Planung etc. Wir als Stadt Graz sind im Vergleich zu anderen Städten eine jener mit der höchsten Einsteigerfrequenz. Wichtig ist hierbei eine politische Willensbildung. Dass wir weiterkommen. Da gibt es die Nordwestlinie, die Südwestlinie über Don Bosco nach Webling, und die Straßenbahn zur Uni. Bezüglich Südwestlinie ist mir wichtig, zu sagen, dass der Nahverkehrsknoten Don Bosco dann auch mit der Straßenbahn erreicht wird. Da gibt es dann eine direkte Anbindung und die Straßenbahn fährt bis in die Straßganger Straße. Man kommt also ohne Umsteigen mit der Straßenbahn vom Zentrum über den Nahverkehrsknoten Don Bosco bis nach Webling. Bezüglich Nordwesten macht der vom Werner Gröbl auch so unterstützte Nahverkehrsknoten den die ÖBB in Gösting bis 2030 errichten werden, nur dann Sinn wenn auch die Tram dorthin fährt. Und dann wird es eben noch eine Bim vom Hauptbahnhof zur Karl-Franzens-Uni und in weiterer Folge dann zum LKH geben, die frühere Linie 2. Diese Straßenbahn soll abschnittsweise auch unterflurig, wie die USTRAB in Wien, geführt werden. Weiters haben wir eine Grundsatzentscheidung, die wir treffen müssen beziehungsweis schon getroffen haben. Dass wir die Betriebszeiten der Nightline ausweiten und auch eine Taktverdichtung bei bestimmten Buslinien machen. Zudem wird es auch eine neue Buslinie geben, die Linie 66, für die die Holding gerade die Haltestellen baut. Last but not least steht im „Masterplan ÖV 2020“ ebenso, dass Maßnahmen bei Radwegen und Gehwegen getroffen werden müssen.
Last but not least zu einem heiklen Thema und zwar in doppelter Hinsicht: Der Kaiser-Josef-Platz. 1. Die Sache mit der Neugestaltung der Haltestelle nach der Baustelle. Und dem fehlenden bzw. versetzten Fußgängerübergang. Das ist jetzt schon eine Zeit lang her, dass da Kritik geäußert wurde. Auf welchem Stand der Dinge sind Sie derzeit?
Das Versetzen des Fußgängerübergangs zur Ampel bei der Luthergasse war wichtig. Und dort wo früher der Fußgängerübergang war, also neben der Haltestelle, wird es auf der Fahrbahn zwischen Haltestelle auf der einen Seite und Markt auf der anderen Seite eine Aufpflasterung geben. Sodass Niveaugleichheit herrscht. Dann müssen die Autofahrer über eine Art „Hupferl“ fahren und werden gezwungen, langsamer zu fahren.
Und die zweite, wesentlich aktuellere Begebenheit bzgl. Kaiser-Josef-Markt: Die Sache mit der Grünfläche vor der Oper. Wie schaut es diesbezüglich aus?
Dafür ist das Marktamt zuständig, also der Herr Vizebürgermeister. Das hat auch mit dem allgemeinen Umbau des Kaiser-Josef-Platzes jetzt während der Sommerferien zu tun. Da wird dann auch vor der Heilandskirche eine Fußgängerzone eingerichtet. Und nun möchte ich mal eine Lanze brechen für den Herrn Vizebürgermeister. Denn die Medien haben immer geschrieben, die Alternative zur Versiegelung der Grünfläche vor der Oper wäre gewesen, alleine die Franz-Graf-Allee an den Freitagen und Samstagen zu sperren. Das hätte jedoch nicht ausgereicht für die Standler. Man hätte zusätzlich noch die Parkplätze am Opernring vorübergehend auflassen müssen. Den Tummelplatz wollten die Standler nicht, da zu klein. Der Stadtpark hingegen, der ja auch in der Nähe liegt, geht aus naturschutzrechtlichen Gründen nicht. Und letztendlich hat man sich dann eben entschlossen, die Wiese vor Oper und Next Liberty vorübergehend zu überbauen, also zu asphaltieren.
Und zum Abschluss noch eine Frage zur Straßenbahn: Sind Sie mitverantwortlich als Verkehrsreferentin oder ist das Finanzstadtrat Riegler: Dass neue Straßenbahnen gekauft werden. Und dass die noch heuer im Herbst getestet werden, um unliebsame Überraschungen à la Variobahn zu vermeiden. Werden die dann auch mit Fahrgästen getestet oder wie lauft das ab? Können Sie das genauer erläutern?
Das fällt ebenso nicht in mein Ressort. Dafür sind Finanzstadtrat Günter Riegler und Bürgermeister Siegfried Nagl zuständig. Hier ist zuerst zu sagen, dass diese vielen neuen Straßenbahnen notwendig sind, weil man zur Erkenntnis gelangt ist, dass ein Ausbau des Straßenbahnnetzes in Graz viel mehr Sinn macht als eine U‑Bahn oder Gondeln. Und nach der negativen Erfahrung mit der Variobahn wird man nun Bombardier und Siemens beauftragen, Angebote zu machen. Wobei vor allem Bombardier, das ist ein heimisches Unternehmen, das sich gut bewährt hat. Im Herbst und Winter wird das dann die Holding vorantreiben, dieses Großprojekt. Genauso wie eben die neue Buslinie 66, die ab Herbst verkehren wird. Bezüglich Fahrkartenkauf wird das Team um Vorstandsdirektorin Barbara Muhr die Entwicklung einer Holding App weiter forcieren. Zumal es aus meiner Sicht nicht möglich ist, überall Fahrkartenautomaten hinzubauen, an jeder Haltestelle. Denn die wären dann immer auch witterungsanfällig. Und deshalb wäre das ganz klar die teuerste Form des Ticketvertriebs. Nicht zuletzt auch wegen der möglichen Vandalenakte. Und nur dort, wo viele einsteigen, einen Automaten hinzustellen, geht nicht. Aber an sich bin ich ganz Ihrer Meinung. Die Fahrkartenautomaten in den Straßenbahnen haben sich nicht bewährt. Sie nehmen auch Platz für Fahrgäste weg. Am besten wäre es aus meiner Sicht, wenn es wie früher einen Schaffner gäbe, bei dem man die Tickets auch kaufen kann. Und der so einen Dienst am Fahrgast leistet.
Dann unsere meistgestellte und uns sehr wichtige Frage: Was ist für Sie Living Culture – Unser Leitgedanke ist ja: Kultur aktiv in die Tat umsetzen und nicht nur passiv konsumieren.
Für mich gibt es einen sehr umfassenden Kulturbegriff. Kultur, das ist meiner Meinung nach dort wo ich wohne, wo ich meinen Arbeitsplatz habe und auch wie geht es mir gesundheitlich. All das ist Ausdruck von Kultur. Und Ausdruck von Kultur ist es eben auch, wie die Politik drauf schaut, dass es allen gut geht die in der Stadt leben. Und dass niemand ausgeschlossen ist. Das sollte der Anspruch einer Kultur in einer Kulturhauptstadt, wie sich Graz ja auch nach 2003 noch nennt, sein. Also Kultur im Sinne einer Kulturhauptstadt nicht nur aus künstlerischer Sicht.
Vielen Dank für das Gespräch.