Die Ruhe während des Sturmes – Landtagswahl Oberösterreich 2021
Text und Fotos: Lukas Wogrolly / Living Culture
Bei der Gemeinderats- und Landtagswahl in Wien im Oktober 2020 hatte Corona noch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch der Impfung sei Dank, am 26. September 2021 war es wieder so weit. Erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 und erstmals seit der nur wenige Monate davor, Ende Jänner 2020 stattgefundenen Landtagswahl im Burgenland, machte ich mich wieder auf, von einer Grünen Wahlparty beziehungsweise der Atmosphäre vor dem Urnengang in der jeweiligen Landeshauptstadt zu berichten. Diesmal ging es, wie bereits erwähnt, um die nur alle sechs Jahre regulär stattfindende oberösterreichische Landtagswahl. Und so zog es mich an einem sommerlichen Frühherbstsamstag in die Landeshauptstadt Linz. Kaum angekommen, erlebte ich nur wenige Minuten nach meiner Ankunft bereits den ersten politischen Event. Die Wahlkampfabschlussveranstaltung der NEOS fand inmitten der Altstadt auf dem Martin-Luther-Platz neben einer evangelischen Kirche statt. Unmittelbar vor der Buchhandlung Thalia war eine Bühne aufgebaut. Bei dieser kurzen Kundgebung gab es lediglich 2 RednerInnen. Zum einen die im Dirndl auftretende Bundesparteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger und zum anderen den Spitzenkandidaten und Noch-Nationalratsabgeordneten Felix Eypeltauer. Beide betonten, wie wichtig eine Kontrollkraft im Landtag sei. Denn durch das Proporzsystem erreicht in Oberösterreich jede Partei mit zumindest in etwa 10% der Stimmen automatisch einen Sitz in der Landesregierung. Um aber die Landesregierung zu kontrollieren, brauche es eben eine Kontrollpartei im Landtag, und das sollten eben die NEOS sein. Im Anschluss an diese stimmungsvolle Präsentation machte ich noch mit den beiden Landesregierungsmitgliedern der NEOS ein Selfie. Zum einen mit dem Wiener Vizebürgermeister und Stadtrat für Jugend, Bildung und Integration Christoph Wiederkehr und zum anderen mit der Salzburger Landesrätin Andrea Klambauer. Danach nahm ich wieder meinen Koffer und machte mich auf zum Motel One, einem zentral am Hauptplatz gelegenen Hotel. Dort an sich alles perfekt, nur das Zimmerfenster war direkt vor einer Wand und somit drang extrem wenig natürliches Licht herein. Was an einem so strahlend schönen Tag schon ein bisschen bitter war. Doch nur kurze Zeit nach meiner Ankunft im Zimmer durfte ich wieder die Sonne genießen. Ich hatte ein paar Besorgungen zu machen. Bevor ich das Einkaufszentrum „Passage“ in der Flaniermeile Landstraße ähnlich der Grazer Herrengasse betrat, ging ich noch in die größte Kirche Österreichs, den Linzer Mariendom, deren Turm nur einige wenige Meter niedriger ist als der Südturm des Wiener Stephansdoms. Das Besondere am Linzer Mariendom ist aber nicht nur seine Größe und die Höhe seines Turmes, sondern auch, dass es praktisch 3 große Schiffe in Richtung des Altares statt wie sonst meist üblich nur ein einziges gibt. Am Nachmittag beziehungsweise Abend stand das zweite politische Event auf dem Programm. Die Grüne Jugend Oberösterreich hatte sich nahe des Kunstmuseums Lentos an der Donaulände zum Flyern verabredet. Flyern, das bedeutet nicht einfach, man steht herum und verteilt Flyer. Sondern man geht dabei herum, promeniert sozusagen und spricht die Leute an. Während dieses Spaziergangs donauab- und wieder donauaufwärts bekam ich bei strahlendem Sonnenschein nicht nur die schöne, blaue Donau zu Gesicht sondern auch einen Sandstrand, Hip-Hop für Mädchen, eine Kunstinstallation und vieles mehr. Zum Abschluss zog es mich noch mit ein paar Mitgliedern der Grünen Jugend Oberösterreich zum Wahlkampfstand am Taubenmarkt. Dort machte ich mit zwei Grünen Persönlichkeiten Bekanntschaft. Zum einen mit der Linzer Stadträtin und Bürgermeisterkandidatin Eva Schobesberger und zum anderen mit Berta Baum, dem Maskottchen der Grünen Oberösterreich. Mit beiden war ein Selfie obligatorisch. Der letzte Teil meines Samstages in Linz, am Vorabend der oberösterreichischen Landtagswahl, war ganz der Gastronomie gewidmet. Zunächst genoss ich Weißbier und Burger im Café am Schillerpark. Dann zog es mich in das Franchise-Burgerlokal Burgerista, wo ich drei Mini-Burger verspeiste. Den krönenden Abschluss bildete die Gelateria oder Eisdiele Surace. Neben Eis und Espresso Corretto, also Espresso mit Grappa, aß ich dort auch als Vorspeise die mir aus Triest aus dem Caffè Tommaseo zur Genüge bekannte italienische Spezialität Prosciutto e melone. Der Wahlsonntag begann für mich noch vor dem Frühstück mit einem Familiengottesdienst im Linzer Mariendom. Bei dieser Messfeier wurde aus Zeitgründen auf die beiden Lesungen verzichtet, stand doch nur eine Stunde nach Beginn ein großes Hochamt zum Sonntag der Völker auf dem Programm. Apropos Hochamt: Den finalen und abschließenden Höhepunkt meines Linz-Aufenthaltes zur Landtagswahl in Oberösterreich am 26. September 2021 bildete die insgesamt zehnstündige (16 Uhr bis 2 Uhr nachts) Wahlparty der Grünen Oberösterreich. Zwei Räumlichkeiten des an der Donaulände malerisch gelegenen Kunstmuseum Lentos waren gemietet, dazu ein Catering bestellt. Im einen Raum, von dem man herrlich auf die Donau hinunter blicken konnte, waren Stehtische aufgebaut und eine große Leinwand. Hier sollte später Geschichte geschrieben werden. Doch alles der Reihe nach. Im Nebenraum praktisch hingegen war das Buffet aufgebaut mit Bier, Reis, Linseneintopf, glutenfreien Gerichten, Hühnercurry, Leberpastete, Schinken, kaltem Fisch, Brot, verschiedenen Süßigkeiten, Kaffee, Fruchtsaft, Wasser, Wein und allem was das Herz begehrt. Cola gab es jedoch genauso wenig wie Aperol Spritz oder Tee. Aber man kann nicht alles haben. Um 16 Uhr versammelten sich dann die oberösterreichischen Grünen, noch ohne ihren Spitzenkandidaten Stefan Kaineder, im großen Raum an den Stehtischen und jubelten leicht, als die erste Hochrechnung ihnen ein leichtes Plus vorhersagte. Letztendlich sollte es mit ca. 11 Prozent das beste Ergebnis das eine Grüne Partei je bei einer Landtagswahl in Oberösterreich erreicht hatte, werden. Doch Oberösterreich alleine stand eben nicht im Fokus dieses Superwahltags. Denn zeitgleich fand auch in Deutschland die Bundestagswahl statt, bei der die SPD unter Olaf Scholz die CDU/CSU unter Merkel-Nachfolger und Kanzler-Kandidat Armin Laschet überholte. Die Grünen, die Anfang des Sommers noch bei den diversen Umfragen in Führung gelegen waren, erreichten mit großem Abstand und Spitzenkandidatin Annalena Baerbock Platz 3. Doch das war bei weitem noch nicht alles. Denn in meiner Heimatstadt Graz wurde an diesem Tag ein neuer Gemeinderat gewählt. Und als kurz vor 17 Uhr die erste Hochrechnung zu sehen war, spürte ich ein politisches Erdbeben. Die ÖVP unter Langzeitbürgermeister Siegfried Nagl musste so schwere Verluste hinnehmen, dass sie von der zuletzt zweitplatzierten KPÖ mit Spitzenkandidatin Elke Kahr gar überholt wurde. Dieser gewaltige Linksruck – denn zugleich mit den enormen Zugewinnen für die Kommunisten gab es auch einen Stimmenzuwachs für die Grünen, während die FPÖ unter Noch-Vizebürgermeister Mario Eustacchio ebenfalls verlor – war bis Linz spürbar. Und so waren die Stunden von 18 bis zirka 21 Uhr von einer enormen Ruhe in Linz geprägt, während in Graz ein politisches Erdbeben, ein Sturm zu spüren war. Da dachte ich wirklich schon an eine Ruhe während des Sturmes. Doch auch hier in Linz sollte dann ab 21 Uhr nochmal so richtig die Post abgehen. Neben Klubobfrau Sigi Maurer kamen von den Bundesgrünen triumphal auch noch die beiden steirischen Regierungsmitglieder Vizekanzler Werner Kogler und Verkehrs- sowie Umwelt- und Innovationsministerin Leonore Gewessler. Nicht zu vergessen natürlich der oberösterreichische Spitzenkandidat Stefan Kaineder samt Ehefrau, aus Dietach nahe Steyr. Ein bodenständiger, ehrlicher Typ Jahrgang 1985. Und so wurde, während in Graz sich immer mehr Leute fragten, wie konnte der Kommunismus im 21. Jahrhundert in einem EU-Land in einer Stadt mit fast 300.000 Einwohnern eine derartige Renaissance erleben, auch das Kunstmuseum Lentos an der Linzer Donaulände zur Partymeile. Für alle Grünen und Gäste wie mich. Party war angesagt mit Disco, Buffet und ganz viel Feierlaune. Bis es dann um 2 Uhr nachts vom Sicherheitsdienst hieß: Sperrstund‘ is, und alle nachhause geschickt wurden. Für mich ging es ins nahegelegene Motel One, das nur fünf Gehminuten vom Lentos entfernt lag. Ach ja: Der Form halber natürlich auch das Formale. Zum einen: 3G-Nachweis wurde am Eingang kontrolliert, es gab eben einen eigenen Sicherheitsdienst der nicht nur die Coronaregeln kontrollierte sondern eben der feuchtfröhlichen Party auch um 2 Uhr nachts ein jähes Ende setzte. Ich war unheimlich happy, dass nach diesen langen und schwierigen Monaten, die eine derartige Wahlparty noch knapp ein Jahr zuvor bei der Wien-Wahl unmöglich gemacht hatten, nun fast schon dank 3G die Normalität zurückgekehrt schien. Dementsprechend ausgelassen war auch ich drauf, in diesen zehn Stunden von 16 Uhr nachmittags bis 2 Uhr nachts. Und ganz zum Schluss das Allerformalste: Wie ging denn die Landtagswahl in Oberösterreich eigentlich aus? Ein leichtes Plus für die ÖVP, sie blieb knapp unter der 40-Prozent-Marke. Den zweiten Platz verteidigte die FPÖ, wenn auch mit herben Verlusten. Denn auch die drittplatzierte SPÖ konnte nur marginale Zugewinne verbuchen. Die Grünen auf Platz 4 hielten den Sitz in der Landesregierung mit ca. 11 Prozent und gewannen 1 Mandat hinzu. Am Ende der in den Landtag eingezogenen Parteien gab es, last but not least, eine faustdicke Überraschung. Die gänzlich unbekannte und erst im Februar 2021 gegründete Bürgerbewegung MFG (Menschen, Freiheit, Grundrechte) hängte die NEOS ab und schaffte deutlich den erstmaligen Einzug in den Landtag. Der war genauso der pinken Truppe um Felix Eypeltauer und Beate Meinl-Reisinger vergönnt, jedoch mit einem Zittern fast den ganzen Abend über, ob nun die 4%-Hürde übersprungen würde oder eben nicht. Zu MFG sei gesagt: Viele sehen dieses starke Abschneiden kritisch, denn Coronaskepsis ist eines der wesentlichen Merkmale dieser Mini-Partei. Wie also die Bundesregierung in Zukunft mit all jenen die sich nicht impfen lassen wollen umgehen soll, ist eine der wesentlichen Fragen die aus dieser Oberösterreich-Wahl mehr denn je hervorstechen. Eine andere Frage ist hingegen durch dieses Wahlergebnis ein für alle Mal geklärt: Die herben Verluste der FPÖ führen zu einer Umverteilung der Sitze im Bundesrat, die zur Folge hat dass die beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne fortan auch in der Länderkammer über die zur Beschlussfassung nötige Mehrheit verfügen und nicht mehr auf den einzigen NEOS-Bundesrat, Karl-Arthur Arlamovsky aus Wien – das sogenannte Zünglein an der Waage – angewiesen sind.