Brittens “War Requiem” — die ganze Oper ist Bühne
Text: Lukas Wogrolly / Living Culture, Oper Graz; Fotos: Werner Kmetitsch
Vorne: Matthias Koziorowski (Tenor), Singschul’, Markus Butter (Bariton), hinten: Chor der Oper Graz
Vorne: Matthias Koziorowski (Tenor), Singschul’, Markus Butter (Bariton), hinten: Chor der Oper Graz
Ensemble
Flurina Stucki (Sopran), Chor und Statisterie der Oper Graz
Markus Butter (Bariton), Statisterie der Oper Graz
Matthias Koziorowski (Tenor), Chor der Oper Graz
Flurina Stucki (Sopran), Chor, Statisterie und Singschul’ der Oper Graz
Matthias Koziorowski (Tenor), Chor der Oper Graz
Da ich bei den ersten beiden Vorführungen verhindert war, besuchte ich ausnahmsweise nicht die Premiere, sondern die 3. Vorführung des diesjährigen Saisoneröffnungsstückes. Es war an einem Sonntagnachmittag Anfang Oktober. Und das Thema hätte aktueller nicht sein können. Sogar ein starker persönlicher Bezug war spürbar, doch dazu später mehr. Das Oratorium „War Requiem“ von Benjamin Britten stand auf dem Spielplan. Gleich vorweg: Schon die Anordnung der Sitze beziehungsweise das „Bühnenbild“ war außergewöhnlich. Ganz hinten auf der Bühne, das Orchester. Und die SängerInnen-SchauspielerInnen, die mitten durchs Publikum zogen. Ein Teil des Publikums seitlich auf der Bühne, 90 Grad von den Parkettplätzen und ebenso 90 Grad vom Orchester. Zu Beginn: Ein Maskenball, so schien es. Von anno dazumal. Die verkleideten Ballgäste ziehen ein, durch die Reihen des Publikums am Parkett hindurch. Und werden dabei gefilmt und fotografiert, als wäre es der Opernball. Die vielen Leinwände runden den Eindruck eines einzigartigen Multimediaspektakels, wie es in der Oper nicht allzu oft aufgeführt wird, ab. Alles sozusagen Bühne. Das Thema, ein sehr ernstes. Und die Performance umso außergewöhnlicher. Das Stück, angelegt als ein Totengedenken der im Krieg Gefallenen, sozusagen ein Militärfriedhof und ziviler Friedhof, musikalisch wie performativ. Hatte von allem ein bisschen was. Immer wieder heitere Klänge, Jubel, Trubel, Heiterkeit, als wäre man am Opernball. Dazwischen: Spuk, Gewalt, Schüsse, Tod. Das Spiel mit dem Kontrast zwischen Himmel und Hölle. Wie jetzt in der Ukraine. Natürlich auch Elemente religiöser Natur: Obwohl die Sprache Englisch, viel Lateinisches, zumeist im sakralen Kontext. Ein Sarg, wie mir zuletzt nur allzu bekannt — nicht nur von der Jahrhundertbeisetzung der Queen, sondern auch von der Trauerfeier meiner mit nur 36 Jahren plötzlich und unerwartet verstorbenen Schulkollegin. Der Mix aus diesen unterschiedlichen Elementen, garniert mit von der Galerie entrollten Transparenten wie es bei den Nationalratssitzungen immer wieder passiert („Die ganze Oper ist Bühne“) und Multimedia, wie den zahlreichen Bildschirmen/Leinwänden/Flatscreens, Fotografen und Kameramännern. Macht dieses Stück — trotz der Ernsthaftigkeit des Themas Tod – zu einem einzigartigen Erlebnis. Das es in einer solchen Form nicht allzu oft im Grazer Opernhaus zu erleben gibt. Nicht mal auf der im kommenden Jänner hoffentlich nicht zum dritten Mal in Folge wieder abgesagten Grazer Opernredoute am selben Ort.
War Requiem
Benjamin Britten
Texte nach der Missa pro Defunctis und Gedichten von Wilfred Owen, op. 66
In englischer und lateinischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Empfohlen ab 15 Jahren
Am Abend des 14. Novembers 1940 fielen Tausende glühende Feuerbälle der deutschen Luftwaffe vom Himmel und zerstörten die Stadt Coventry, nahmen hunderten Menschen das Leben. Viele Jahre später entschied man sich, die Ruinen der Kathedrale als Mahnmal zu erhalten und einen neuen Kirchenbau daran anzuschließen, um dem Wunsch der Zeit nach Erinnerung und Versöhnung Ausdruck zu verleihen.
Der englische Komponist und Pazifist Benjamin Britten erhielt den Auftrag, ein Werk zur Einweihung der neuen Kathedrale von Coventry zu schreiben, welches mit seinem Symphonie- und Kammerorchester, Knabenchor, gemischtem Chor, Sopran, Tenor und Baritontief bewegt, mitreißt, Brücken über Unvorstellbarem baut, und über das Britten resümiert: „Dieses Requiem ist vielleicht das wichtigste Werk, das ich jemals geschrieben habe.“ Kongenial lässt er die Traditionen der Totenmesse auf die schmerzvollen, hoffnungssuchenden Worte des Lyrikers und Soldaten Wilfred Owen treffen, ein Appell der Versöhnung.
Lorenzo Fioroni, der Regisseur der gefeierten und preisgekrönten „Griechischen Passion“ und des Opern-Doppelabends „Cavalleria rusticana“ & „Pagliacci“, kehrt für dieses Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts zurück nach Graz, greift die Erinnerung der Zerstörung, die Hoffnung auf ein friedliches Morgen auf und verwandelt das Opernhaus selbst in einen Ort jenseits des Gewohnten. Zwischen den Orchestern und Nationen entsteht dabei ein packender Dialog der Emotionen und Ängste, der unter der musikalischen Leitung des Chefdirigenten Roland Kluttig steht. Dabei bricht immer wieder die Stimme des Soldaten Wilfred Owen durch, die uns zuruft: „Was für Totenglocken läuten denen, die wie Vieh sterben? / Nur die ungeheure Wut der Geschütze / Nur das scharfe Knattern der ratternden Gewehre / Kann ihre hastigen Gebete herniederprasseln …“
Er starb mit 25 Jahren, vier Tage vor dem Ende des Ersten Weltkrieges.
Nicht nur live, sondern mittendrin: Sitzplatzsituation
In Lorenzo Fioronis Inszenierung erwartet das Publikum nicht nur ein außergewöhnliches Bühnenbild, sondern auch eine teils veränderte Sitzplatzsituation, die das Live-Erlebnis noch unmittelbarer gestaltet. Neben den gewohnten Plätzen im Zuschauerraum der Oper Graz bietet sich auch die Möglichkeit, Tickets für Plätze auf der Bühne zu erwerben. Mitten im Geschehen sitzend, lässt sich dieses Ausnahmewerk, interpretiert von zwei Orchestern, drei Solist:innen und mehreren Chören, aus gänzlich neuen Blickwinkeln wahrnehmen.
Aufgrund der besonderen Bühnenarchitektur sind die Übertitel vom Podium aus nicht einsehbar. Wir bitten um Ihr Verständnis!
Um „War Requiem“ aus beiden Perspektiven – klassisch aus dem Zuschauerraum oder mittendrin auf der Bühne sitzend – erleben zu können, haben wir ein besonderes Angebot für unser Publikum: Gegen den Vorweis des Tickets für Ihren ersten Besuch von „War Requiem“ erhalten Sie ein Ticket für den zweiten Besuch um den halben Preis. Erhältlich im Ticketzentrum am Kaiser-Josef-Platz 10, 8010 Graz.
Erleben Sie diesen eindrucksvollen Abend und lassen Sie die Perspektiven auf sich wirken.
Besetzung
Musikalische Leitung Roland Kluttig (Okt: 2, 5, 7, 12) /Nicolas Ellis
Dirigat Kammerorchester Johannes Braun
Chor & Extrachor Bernhard Schneider
Singschul’ Andrea Fournier
Inszenierung Lorenzo Fioroni
Choreographie Beate Vollack
Bühne Sebastian Hannak
Kostüme Annette Braun
Licht Sebastian Alphons
Video Christian Weißenberger
Dramaturgie Marlene Hahn/Bernd Krispin
Sopran Flurina Stucki
Tenor Matthias Koziorowski (Okt: 2, 12, 22, Nov: 4) / Mario Lerchenberger (Okt: 5, 7, Nov: 6, 20)
Bariton Markus Butter
Mi 5. Okt 2022
Vorstellung
20:00 bis ca. 21:45, Opernhaus Hauptbühne
Kostenlose Stückeinführung jeweils 30 Minuten vor Beginn im Galeriefoyer.
€ 5 bis € 69 > TICKETS KAUFEN
Fr 7. Okt 2022 > TICKETS KAUFEN
Mi 12. Okt 2022 > TICKETS KAUFEN
Sa 22. Okt 2022 > TICKETS KAUFEN
Fr 4. Nov 2022 > TICKETS KAUFEN
So 6. Nov 2022 > TICKETS KAUFEN
So 20. Nov 2022 > TICKETS KAUFEN
https://oper-graz.buehnen-graz.com/production-details/war-requiem/
Vorne: Flurina Stucki (Sopran), Markus Butter (Bariton), Matthias Koziorowski (Tenor), hinten: Chor und Statisterie der Oper Graz
Markus Butter (Bariton), Chor der Oper Graz
Flurina Stucki (Sopran), Chor der Oper Graz
Flurina Stucki (Sopran), Matthias Koziorowski (Tenor), Chor der Oper Graz
Matthias Koziorowski (Tenor), Chor der Oper Graz
Chor und Singschul’ der Oper Graz
Flurina Stucki (Sopran), Chor der Oper Graz
Flurina Stucki (Sopran), Chor und Statisterie der Oper Graz
Vorne: Matthias Koziorowski (Tenor), Singschul’, Markus Butter (Bariton), hinten: Chor der Oper Graz
Matthias Koziorowski (Tenor), Markus Butter (Bariton), Chor der Oper Graz
Flurina Stucki (Sopran), Matthias Koziorowski (Tenor), Chor der Oper Graz
Matthias Koziorowski (Tenor), Chor der Oper Graz
Flurina Stucki (Sopran), Chor, Statisterie und Singschul’ der Oper Graz
Flurina Stucki (Sopran), Chor und Statisterie der Oper Graz
Matthias Koziorowski (Tenor), Chor der Oper Graz
Markus Butter (Bariton), Statisterie der Oper Graz
Matthias Koziorowski (Tenor), Singschul’ und Chor der Oper Graz