Advent in der Oper
Text: Lukas Wogrolly / Living Culture; Fotos: Marija Kanizaj (1), Lukas Wogrolly / Living Culture (wenn nicht anders angegeben)
Rückblende auf das Jahr 2022: Es ist gerade einmal zwei Jahre her, und wir befinden uns im achten und letzten Jahr der Intendanz von Nora Schmid. Nach einem Jahr Sabbatical sollte sie ab der Spielzeit 2024–25 die Intendanz an der berühmten Dresdner Semperoper übernehmen. Doch bis zu ihrem Abschied gönnt sie sich an der Oper Graz eine letzte abrundende Spielzeit. Die zwar erneut ohne Opernredoute, aber erstmals seit vielen Jahren ebenfalls frei von Corona-Beschränkungen buchstäblich über die Bühne geht. Ich schreibe für Living Culture Anfang Dezember, es sei das erste Mal nach mehreren Jahren coronabedingter Pause, dass das traditionelle „Adventkonzert“ der Oper Graz mit dem Titel „Advent in der Oper“ wieder stattfinden kann. Dabei überzeugen neben den jungen Stimmen der Singschul‘ auch die beiden in feurigem Rot gekleideten Solistinnen Sieglinde Feldhofer und Tetiana Miyus. Für Letztere ist es aufgrund des seit knapp einem Jahr tobenden Angriffskrieges Russlands in ihrer ukrainischen Heimat ein ganz besonderer Auftritt.
Mit der Erinnerung an diese brillante Performance begebe ich mich am zweiten Adventsonntag 2024 vormittags in die Oper Graz. Um eben nach zwei Jahren wieder die sonntägliche Advent-Matinee, die zweite Aufführung von „Advent in der Oper“, zu erleben. Vorab sei angemerkt: Ein begeistertes Publikum, herausragende Darbietungen aller Beteiligten und ein tolles Ambiente. Und doch fällt auf: Der Fokus liegt diesmal nicht auf SolistInnnen. Der einzige Solist (keine Solistin) auf der Bühne ist Ted Black, ein waschechter Brite. Der auf der Bühne jedoch mit englischem Akzent Deutsch spricht statt „to talk a little bit in English“, als er von Moderator Michael Großschädl gegen Ende des offiziellen Teiles interviewt wird. Allgemein muss gesagt werden: viel Deutschsprachiges gibt es hier nicht. Wenn, dann wird es eben doch gesprochen und zumeist nicht gesungen. So wie vom durch den Vormittag (nicht durch den Abend) führenden Michael Großschädl. Oder, nach Ende des ersten Teiles, von der ebenfalls moderierenden Leiterin der Singschul‘, Andrea Fournier. Oder vom Weihnachtsmann, der eben gegen Ende der Singschul‘-Präsentation nach einem der wenigen deutschen Lieder plötzlich auftaucht und sogar mir im Publikumsbereich – dem Gangsitz sei Dank – kurz das Mikrofon zum Mitsingen hinhält. Das ist alles lustig, das hat alles Charme. Generell fällt auf: Englisch ist die vorherrschende Sprache auf der Bühne. Garniert sozusagen von ein bisschen Latein und ein bisschen Deutsch. Nach dem Motto „Ausnahmen bestätigen die Regel“. Drei Viertel aller erklingenden Stücke sind in englischer Sprache gehalten. Das beginnt schon einmal damit, dass der gesamte erste Teil programmatisch nach England entführt, mit Werken von Benjamin Britten, Edward Elgar, Frederick Delius oder zum Abschluss zum Mitsingen, Ralph Vaughan und „The First Nowell“. Dann geht es weiter mit den von der Singschul‘ dargebotenen Weihnachtsliedern. Das sind zwar dann, im Gegensatz zu Teil 1 mit Michael Großschädl, schon die bekannteren. Aber bis auf „Es wird scho glei dumpa“ und einem Stück über den Weihnachtsmann, fast ausschließlich auf Englisch. Die mir aus meiner Kindheit bekannten Weihnachtslieder in deutscher Sprache, die man dieser Tage und Wochen immer wieder gerne hört, wie „Kling, Glöckchen, klingelingeling“, „O Tannenbaum“, „O du Fröhliche“ oder das bekannteste Weihnachtslied der Welt, „Stille Nacht“, sucht man hier vergebens. Auch auf die amerikanischen Kassenschlager wie „White Christmas“ und natürlich „Last Christmas“ hat die Oper Graz zwar bewusst verzichtet. Aber dennoch: Ob das Ganze nur mit der Intendanz von Ulrich Lenz zu tun hat, der hier in Graz bereits seine zweite Spielzeit absolviert, bleibt offen. Und das macht den Unterschied: Meiner Erinnerung nach war es damals, im letzten Intendanzjahr von Nora Schmid, niemals so drastisch mit der englischen Sprache als Sprache der Weihnachtslieder. In diesem Sinne: Geschmäcker sind verschieden. Und: Absolut großartig das Ambiente und auch die Darbietung aller Beteiligten inklusive Singschul‘ unter der Leitung der großartig moderierenden und präsentierenden Leiterin Andrea Fournier. Punkt. That’s it. English Christmas songs at all, only a few German songs allowed.